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Der Sternenhimmel im Mai 2023

Beitrag: Thomas Baer, Redaktion ORION

Objekt des Monats: Venus – Gibt es Leben in der «giftigen» Atmosphäre?

Als «Abendstern» ist Venus in diesem Monat das auffälligste Gestirn am Himmel nach Sonne und Mond. Wir können den Planeten schon bald nach Sonnenuntergang hoch im Westnordwesten entdecken und ihn bis zu seinem Untergang kurz nach Mitternacht verfolgen. In den letzten Jahren haben Weltraumsonden die Atmosphäre unseres inneren Nachbarplaneten genauer untersucht und sind da auf interessante Dinge gestossen.

Venus zieht in diesem Frühjahr und noch bis in die ersten Sommermonate hinein die Blicke auf sich. Mit ihren –4.1mag (am 1. Mai) und –4.3mag (31. Mai) scheinbarer Helligkeit ist sie nach Sonnenuntergang und sobald es zu dämmern beginnt auch von Laien nicht zu übersehen. Als «Abendstern» steht Venus im letzten Maidrittel selbst gegen 22:15 Uhr MESZ noch über 20° hoch über dem Westnordwesthorizont im Sternbild der Zwillinge (siehe Abbildung unten). Etwas östlich von ihr stossen wir auf den viel lichtschwächeren Mars, den wir aber leicht an seiner orangen Färbung identifizieren können. Venus durchquert im Laufe des Monats die Zwillinge und holt allmählich etwas zu Mars auf.
Betrachten wir den «Abendstern» durch ein Teleskop, so können wir ein zu knapp Dreiviertel beschienenes Scheibchen sehen, das fast blendet. Im Unterschied zu einem Jupiter, wo man hellere und dunklere Wolkenstreifen sehen kann, lassen sich bei Venus keinerlei Strukturen erkennen. Das starke Rückstrahlvermögen von Venus, auch Albedo genannt, rührt von ihrer dichten Wolkenhülle. Von allen Planeten unseres Sonnensystems erreicht sie die grösste scheinbare Helligkeit. Daher wird Venus auch recht bald in der Dämmerung als «Stern» fürs freie Auge erkennbar. Dieser Umstand verlieh ihr seit alters her den Beinamen «Morgen-» und «Abendstern». Und in diesem Jahr wird sie ihrer Rolle mehr als gerecht, geht sie doch erst nach Mitternacht im Nordwesten unter!

Venus ist zusammen mit dem viel lichtschwächeren Mars am Abendhimmel zu beobachten. Vom 20. bis 25. Mai 2023 schaut die zunehmende Mondsichel vorbei. (Grafik: Thomas Baer, Redaktion ORION)

Inwiefern unterscheiden sich die Atmosphären von Erde und Venus?

Dass es auf Venus ziemlich ungemütlich wäre, zeigt uns nicht bloss ein Blick auf die Temperaturen, die an ihrer Oberfläche herrschen. Mit fast +500 °C ist es so heiss, dass Metalle wie Zinn und Blei augenblicklich, aber auch diverse Aluminiumlegierungen schmelzen würden! Selbst, wenn die Temperatur im erträglichen Rahmen läge, wäre die chemische Zusammensetzung der Venusatmosphäre alles andere als lebensfreundlich. Wenn es Niederschlag geben könnte, dann in Form von Schwefelsäure! Und in der Tat «regnet» es unter diesen extremen Bedingungen einige verdampfte Metallverbindungen im «kühleren» Gebirge wieder aus.
Venus ist der mit Abstand heisseste Planet, was direkt mit ihrer mächtigen Atmosphäre zu tun hat. Diese besteht zu fast 97 % aus Kohlenstoffdioxid, also dem Treibhausgas, das bei uns auf der Erde in aller Munde ist, aber atmosphärisch in einem fast verschwindenden Anteil (0.042 %) existiert. In der Geschichte der Erdatmosphäre – nicht zu vergessen – war der CO2-Anteil schon um ein Vielfaches höher als aktuell.
Das Treibhausgas, das in der Atmosphäre der Venus den Hauptbestandteil ausmacht, sorgt dafür, dass es die einfallende Wärmestrahlung speichert. Während beim «Energiehaushalt» der Erde vom einfallenden Sonnenlicht rund ein Drittel direkt wieder ins All reflektiert wird und auch fast 70 % der Infrarotstrahlung abgegeben wird, sieht die Situation auf Venus anders aus. Zwar reflektiert die geschlossene Wolkendecke auch einen erheblichen Anteil des Sonnenlichts, doch die von der Venus nicht reflektierte Strahlung wird zu rund zwei Dritteln von der Wolkendecke absorbiert. Dies ist der Hauptgrund für die extrem hohen Oberflächentemperaturen.


Die Atmosphären von Venus und Erde könnten unterschiedlicher nicht sein. (Infografik: Thomas Baer, Redaktion ORION)

Welche Bedingungen herrschen an der Venusoberfläche sonst noch?

Einmal von den Temperaturen und der atmosphärischen Zusammensetzung abgesehen, würde uns auf Venus eine ziemlich unwirtliche Umgebung erwarten. Die «Gashülle», welche unseren inneren Nachbarplaneten umgibt, ist 90 Mal mächtiger als die Lufthülle der Erde. An der Venusoberfläche würde auf uns eine «Luftsäule» mit einem Druck von 92 bar lasten. Um dies einzuordnen, müssten wir auf gut 900 m Meerestiefe abtauchen, um etwa denselben Druck zu spüren. Ausserdem ist die Dichte der Venusatmosphäre direkt an der Oberfläche mit ca. 65 kg/m³ etwa 50 Mal so dicht wie die Luft, die wir ein- und ausatmen. Da sich das Venus-Gasgemisch unter diesen Bedingungen in einem sogenannten «überkritischen Zustand» befindet, ein Begriff aus der Thermodynamik, können wir sogar von einem «Gasozean» sprechen. Die Hauptmasse der Venusatmosphäre konzentriert sich zu 90 % auf die untersten knapp 30 km.

Die Winde in den obersten äquatorialen Wolkenschichten sind bis zu 100 m/s stark und bewegen sich in Rotationsrichtung der Venus (retrograd) in nur vier Tagen einmal um den ganzen Planeten. Wir haben es mit einer «Über- oder Superrotation» der Atmosphäre zu tun. Dies ist rund 60-mal schneller als die Venus selbst um ihre Achse dreht. Hier ist jedoch anzumerken, dass die Rotation von Venus mit einer Dauer von 243.025 Erdtagen (!) extrem langsam ist und sogar länger dauert als eine Sonnenumrundung des Planeten selbst (224.701 Tage)! Bildanalysen der Raumsonde Venus Express haben aussderdem gezeigt, dass die Windspitzen, mit denen die Wolken um den Planeten getragen werden, innerhalb eines Jahrzehnts von 300 km/h auf 400 km/h gestiegen sind.

Was die Beleuchtungsstärke an der Venusoberfläche anbelangt, können wir uns einen bedeckten Himmel bei einem winterlichen Sonnenhöchststand bei uns vorstellen. Es ist also recht düster, und man müsste das Licht anknipsen.

Was ist dran an den Spekulationen über mögliches «Leben» in der Venusatmosphäre

Die Mutmassungen, ob es auf Venus Leben geben könnte, reichen weit ins 19. Jahrhundert zurück, also in eine Zeit, wo noch keine Raumsonde den Planeten aus der Nähe untersucht hatte. Da der Planet von der Grösse her unserer Erde recht ähnlich ist und auch ihre Masse sich nicht wesentlich unterscheidet, war es damals naheliegend, anzunehmen, einen weiteren «lebensfreundlichen» Planeten in unserem Sonnensystem zu haben. Lange bevor der «giftige Gascocktail», den die Venus umgibt, erforscht wurde, hielt man die Wolken des Planeten für Wasserwolken und ging zudem davon aus, dass Wasser ein dominierendes Element an der Oberfläche wäre. Aufgrund ihrer Sonnennähe mussten die Astronomen auch damals von einer höheren Temperatur auf dem Planeten ausgehen. Die Vorstellung einer «feucht-warmen» Welt, so wie sie auf der Erde zur Zeit der Dinosaurier geherrscht hatte und die Fantasie zahlreicher Autoren anregte, hielt sich bis in die 1960er-Jahre!

Für Lebensformen wichtig, ist die sogenannte habitable Zone, also jener Bereich, in dem es für die Entstehung und Entwicklung von Leben nicht zu heiss, aber auch nicht zu kalt ist. In unserem Sonnensystem beginnt dieser Bereich knapp ausserhalb der Venusbahn und reicht knapp über die Marsbahn hinaus. Wir auf der Erde befinden uns innerhalb dieser Zone, im ersten Drittel näher zur Sonne. Venus liegt aber ausserhalb. An ihrer Oberfläche kann es kein Wasser geben, aber wie oben beschrieben, sind vor allem die CO2-Atmosphäre und der extreme Treibhauseffekt der lebensfeindliche Part. In der Entwicklungsgeschichte des Planeten könnte es einst durchaus eine Phase mit Wasser gegeben haben, und man geht auch davon aus, dass Venus nicht immer so heiss war wie gegenwärtig. Somit wäre zumindest in der Frühzeit des Planeten mikrobiologisches Leben denkbar gewesen.


Schematische Darstellung der Atmosphäre und der temperierten Zone der Venus, in der Leben in Mikrobenform zumindest theoretisch denkbar wäre. (Grafik: J. Petkowska)

Schon die Pioneer-Venussonde 2 konnte 1978 bakteriengrosse Partikel nachweisen und die chemische Analyse der Atmosphäre liess Spekulationen von biologischen Prozessen aufkommen. So etwa wurde Carbonylsulfat nachgewiesen, das ohne solchen Prozesse kaum entstehen kann. Dass es Bakterien gibt, die unter Extrembedingungen gut existieren können, kennen wir von der Erde, etwa im Umfeld von «schwarzen Rauchern» am Grund der Tiefsee, auch Carbonat-Raucher genannt.

Es war im Jahr 2018, als ein Forscherteam spektroskopische Merkmale entdeckte, die mit denen irdischer Biomoleküle und Mikroben übereinstimmten, und ein Jahr später berichteten Astronomen von Absorptionserscheingungen und Albedo-Variationen. Man vermutete, dass Mikroorganismen in der Venus-Atmosphäre diese unbekannten «Absorbierer» sein könnten. Mit der Höhe – dies erkennt man anhand der Temperaturkurve – ist es bald nicht mehr so heiss, wie unmittelbar an der Oberfläche.

Im September 2020 vermeldete ein Beobachtungsteam, das mit der Auswertung radioastronomischer Daten beschäftigt war, in der Venusatmosphäre das Gas Monophosphan (PH3) nachgewiesen zu haben. Auch das Vorkommen dieses Gases, so die Forscher, könne ohne biologische Prozesse kaum erklärt werden. Doch wiesen sie darauf hin, dass ihre Entdeckung kein Garant für «Leben» in der Venusatmosphäre sei. Eine später erfolgte Nachmessung zeigte schliesslich, dass die Wissenschaftler den mittleren Monophosphangehalt in der ersten Analyse deutlich überschätzt hatten.

Das Fazit zum Schluss: Auch wenn mögliche Spuren nachgewiesen werden konnten; von «Leben» in der Venusatmosphäre zu sprechen, wäre aus aktueller Sicht zu hoch gegriffen. Weitere Analysen und Erforschungen sind nötig. Sicher aber ist: Bisher gibt es keinen Beweis eindeutigen dafür, dass es in der Vergangenheit Leben auf Venus gab oder es solches in der Gegenwart gibt.

Venus und ihre Wolken (Bild: JAXA/ ISAS/ DARTS/ Kevin M. Gill)

Astronomische Ereignisse im Mai 2023

Die schönsten Monatsereignisse im Überblick

SonneDie Sonne steigt im Mai auf der Ekliptik noch weiter empor und erklimmt immer höhere Deklinationen; die Tage sind jetzt lang, die dunklen Nachtstunden werden kürzer. Die Sonnenaufgänge verfrühen sich im Laufe des Monats um eine weitere Dreiviertelstunde von 06:10 Uhr MESZ auf 05:34 Uhr MESZ, die Sonnenuntergänge verspäten sich von 20:37 Uhr MESZ (am 1. Mai) auf 21:14 Uhr MESZ (am 31.). In dieser Zeit steigt das Tagesgestirn mittags von knapp 58° auf gut 64° über den Südhorizont.
MondDer Mond startet als grosser zunehmender Dreiviertelmond in den Monat. Vollmond haben wir am 5. Mai im Sternbild der Waage. Bei Mondaufgang wäre theoretisch noch eine Halbschatten-Mondfinsternis im Gange, doch ihr Maximum ist bereits vorüber, wenn der Erdtrabant bei uns aufgeht. So wird man von der Finsternis leider kaum mehr etwas wahrnehmen können. Das Letzte Viertel verzeichnen wir am 12. Mai, Neumond am 19. Im letzten Monatsdrittel nimmt der Mond wieder zu: Das Erste Viertel verzeichnen wir am 27. Mai.
MerkurDer sonnennächste Planet erreicht zwar zum Monatsende hin, genauer am 29., seine grösste westliche Elongation am Morgenhimmel mit mehr als 25°. Trotz dieses relativ grossen Winkels, bleibt Merkur in diesem Monat so gut wie nicht zu beobachten, es sei denn, man spürt ihn im Schatten eines Gebäudes, das die Sonne abschirmt, am Taghimmel (rechts der Sonne) auf. Dies erfordert aber etwas Geschick und vor allem braucht man dazu ein Teleskop.
VenusVenus ist noch immer dominanter «Abendstern» und sie baut ihre Sichtbarkeit weiter aus. Schon bald nach Sonnenuntergang kann man den hellen Planeten hoch in westnordwestlicher Richtung sehen. Venus geht in diesem Monat erst nach Mitternacht MESZ unter.
MarsEtwas östlich von Venus können wir den deutlich lichtschwächeren und leicht orange leuchtenden Mars entdecken. Der Rote Planet hat die Zwillinge bald durchschritten und wechselt im Laufe des Monats ins Sternbild des Krebs, wo er gegen Monatsende direkt auf den offenen Sternhaufen M44 zusteuert, den er dann Anfang Juni durchqueren wird.
JupiterDer grösste Planet des Sonnensystems stand im Vormonat in Konjunktion mit der Sonne und war vorübergehend nicht zu beobachten. Im Wonnemonat Mai erscheint er nun zögerlich in der Morgendämmerung.
SaturnDer Ringplanet ist momentan der einzige Planet, den man nun deutlich vor Sonnenaufgang im Sternbild Wassermann sehen kann.
UranusUranus ist zu Beginn des Monats noch unbeobachtbar, zeigt sich aber zum Monatsende hin teleskopisch in der Morgendämmerung. Er bleibt aber ein schwieriges Beobachtungsobjekt.
NeptunNeptun erscheint zwar immer früher am Morgenhimmel, doch weil auch die Sonne täglich früher aufgeht, wächst das Sichtbarkeitsfenster nur geringfügig.
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