Im Herbst öffnet das «Space Eye», das Auge ins All, zum ersten Mal seine Türen. Das ehrgeizige Projekt ist aus der Erneuerung der privaten Sternwarte Uecht entstanden und will eine Brücke schlagen zwischen Forschung und Vermittlung. Neben dem Blick in den Sternenhimmel soll im neuen Astronomiezentrum gezeigt werden, dass Astronomie, Raumfahrt und Erdbeobachtung unser aller Leben auch im Alltag berühren.
Beitrag: Claudia Walder, Redaktion ORION
Bereits seit 1951 steht beim kleinen Weiler Uecht oberhalb des Berner Dorfs Niedermuhlern ein Teleskop und leitet den Blick der Menschen in den Himmel. Weil die kleine, private Sternwarte in den über 70 Jahren ihres Bestehens in die Jahre gekommen ist und nicht mehr den neusten Anforderungen entspricht, hat die Stiftung Sternwarte Uecht ein Erneuerungsprojekt gestartet, das diesen Herbst abgeschlossen werden soll. Als «Space Eye», Auge ins All, wird die Sternwarte damit zu einem Astronomiezentrum, das die Faszination am Nachthimmel einem breiten Publikum vermitteln will und gleichzeitig einen Beitrag für die aktuelle Forschung leisten soll.
Mitte September 2023 öffnet das von Mario Botta designte «Space Eye». (Bild: Space Eye)
Grösstes Teleskop der Schweiz
Das ehrgeizige Projekt vereint am Standort Uecht verschiedene Elemente, die zukünftige Besuchende in die Bereiche Astronomie, Raumfahrt und Erdbeobachtung einführen: Zum einen ist da natürlich das neue Teleskop selbst, das, sobald es installiert ist, das schweizweit grösste sein wird. «Wir übertreffen das Teleskop von Zimmerwald mit seinem 1-Meter-Spiegel um einen Zentimeter», schmunzelt Geschäftsführer Michael Kropf. Daneben wird im neuen Gebäude ein hochmodernes digitales Planetarium eingerichtet sowie Ausstellungsbereiche, die an konkreten Beispielen demonstrieren, wie sich Raumfahrt und Erdbeobachtung auf unseren Alltag auswirken – vom Wetterbericht über das Navigationssystem bis zur Analyse der Gletscherschmelze. Ein Highlight wird auch das grosse ATV, das Automated Transfer Vehicle, welches Guido Schwarz, Präsident des Swiss Space Museums vor der Verschrottung gerettet hat und das nun als Ausstellungsobjekt im Space Eye die Blicke auf sich zieht. Ursprünglich von der Schweizer Firma Ruag Space gebaut, diente es als Prototyp für die Transportschiffe, mit welchen die ESA Versorgungsgüter zur Internationalen Raumstation ISS gesandt hat. «Wir haben das ATV 2019 übernommen, konnten mit dem Bau des neuen Zentrums aber erst 2021 beginnen. Deshalb war das ATV bis zu seiner Unterbringung in unserer Ausstellung in einer Scheune eingestellt», erzählt Michael Kropf, dem daran gelegen ist, das Space Eye durch unterschiedliche Angebote sowohl für ein Fach- wie auch für ein Allgemein-Publikum attraktiv zu gestalten. «Wir wollen etwas bieten und so als Türöffner für diese Themen, für die Wissenschaft und MINT-Berufe fungieren», sagt der Geschäftsführer und erklärt, dass es dabei nicht nur um den Blick ins All, sondern auch um den Blick aus dem All geht. «Observatorium für Weltraum und Umwelt» steht denn auch als Erklärung unter dem Namen. Der Name selbst, «Space Eye», leitet sich zum einen von der Funktion des Observatoriums ab, natürlich, zum anderen aber auch von der Form des neuen Gebäudes. Dieses hat von oben gesehen die Form eines grossen Auges; entworfen wurde es von niemand Geringerem als dem Stararchitekten Mario Botta. «Die Stiftung hat für das Projekt kurzerhand verschiedene Stararchitekten angeschrieben», erzählt Michael Kropf. «Mario Botta hat mit Begeisterung geantwortet, eine Sternwarte habe er noch nie gestaltet.»
Im Inneren des Gebäudes gibt es eine grosse Ausstellung sowie ein Planetarium. (Bild: Space Eye)
Prominente Unterstützung
Mario Botta ist nicht der Einzige, der das vielschichtige Projekt unterstützt. Denn neben privatwirtschaftlichen Partnern und Sponsoren sind auch Forschungsinstitutionen mit von der Partie, insbesondere die Universität Bern. Mit dieser hatte bereits der Gründer der historischen Sternwarte, der Ingenieur Willy Schaerer, gute Verbindungen aufgebaut. Da auch er den Forschern der Uni das selbst gebaute Teleskop, das damals dem neusten Stand der Technik entsprach, für ihre Beobachtungen zur Verfügung stellte, dürfte der heutige Plan wohl ganz in seinem Sinne sein: Das neue Teleskop soll nämlich in der Zeit, in der es nicht der Öffentlichkeit zugänglich ist, ferngesteuert von der Universität eingesetzt werden können. Das mache für die Universität durchaus einen Unterschied, denn ein Teleskop mehr bedeute mehr Beobachtungszeit, erklärt Prof. Thomas Schildknecht vom Astronomischen Institut, der zugleich als Vizepräsident im Stiftungsrat der Stiftung Sternwarte Uecht amtet. «Und Beobachtungszeit ist für die Forschenden extrem wertvoll.» Allerdings geht es für die Universität bei der Zusammenarbeit nicht nur um das Teleskop, sondern auch um die Vermittlungsaufgaben, welche das Space Eye übernehmen will. «Outreach, also die Vermittlung von Forschungsinhalten, spielt heute eine grosse Rolle für viele dieser Institutionen, ebenso wie die Vernetzung», sagt Michael Kropf. So ist in seinen Augen das Space Eye im Naturpark Gantrisch ein ehrgeiziges, aber durchaus realistisches Projekt, das ab September 2023 als neuer Stern in der Schweizer Astronomieszene leuchten soll.
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