Beitrag: Thomas Baer, Redaktion ORION
Thema des Monats: Kometen und ihre Entdecker
Am 12. August 2023 gelang es dem japanischen Amateurastronomen Hideo Nishimura einen Kometen zu entdecken. Trotz der permanenten Überwachung des Himmels mittels automatischer Suchsysteme, ist diese Entdeckung umso überraschender und zeigt zugleich, dass es sich auch als Amateur durchaus lohnen kann, den Himmel zu durchforsten. Kometen sind überdies die einzigen Himmelsobjekte, welche die Namen ihres Entdeckers tragen. Wie gut man diesen Kometen im September – vor allem am Morgenhimmel – wirklich sehen kann, wird sich zeigen. Helligkeitsprognosen sind bei diesen Objekten stets schwierig, da man ihr Verhalten in Sonnennähe kaum vorhersagen kann.
Hideo Nishimura entdeckte den Kometen auf einer Aufnahme, die er mit einem 200-mm-f/3-Teleobjektiv und einer Canon EOS 6D schoss. Nach ersten Berechnungen soll sich der Schweifstern auf einer langperiodischen Umlaufbahn bewegen. Die genaue Bahn kann nach so kurzer Zeit erst grob gerechnet werden. In den kommenden Tagen und Wochen werden genaue Beobachtungen und Vermessungen dazu beitragen, die Bahnparameter laufend zu korrigieren. Zum Zeitpunkt seiner Entdeckung war der Komet noch 1 Astronomische Einheit [AE] von der Sonne entfernt. Aktuell sind sich die Astronomen auch über die Bahnform noch nicht schlüssig; sie schwanken zwischen «hyperbolisch» und «periodisch».
Wo können wir den Kometen derzeit finden?
Ende August / Anfang September 2023 wandert der Komet aus den Zwillingen ins Sternbild Krebs. Er ist (Stand: 25. August 2023) +7.9mag hell, also bereits in einem kleinen Teleskop zu erkennen. Seine Kernregion und die Koma erscheinen auf Fotografien grünlich, ein Hinweis auf flüchtigen doppelten Kohlenstoff (Dikohlenstoff), den wir sozusagen als «Färbemittel» bezeichnen können. Dieses Molekül können wir auch in Flammen, eben Kometen, aber auch in Sternen sowie im diffusen interstellaren Medium finden. Es entsteht, wenn organische Verbindungen in Abwesenheit von Sauerstoff und anderen geeigneten Reaktionspartnern zerfallen. Auf Bildern des Kometen erkennt man einen verschwommenen grünlichen Fleck.
Sollte sich der Komet wie bislang weiterentwickeln, so rechnen die Astronomen, dass er um den 7. September herum bereits +4.5mag hell und damit erstmals mit blossem Auge sichtbar werden könnte. In der ersten Septemberwoche nähert sich C/2023 P1 dem Löwen und durchquert diesen bis Mitte Monat. Das Beobachtungszeitfenster ist nicht sehr lange. Am besten versucht man es ab 05:45 Uhr MESZ. Bis zum 10. September steht der Komet noch hoch genug am Himmel, sinkt aber rasch in Richtung Sonne und damit in die hellen Bereiche der Morgendämmerung ab. Auch wenn Helligkeit des Kometen bis zu seinem Perihel am 17. noch bis auf +1.4mag zunehmen könnte (optimistische Prognose!), wird seine Beobachtung zunehmend schwieriger, da er dann nur etwa 12° von der Sonne entfernt steht und völlig überblendet wird. Am Morgenhimmel profitieren wir derzeit davon, dass die Ekliptik – die scheinbare Jahresbahn der Sonne – steil zum östlichen Horizont verläuft. So steht C/2023 P1 zwischen dem 10. und 15. September 2023 in Bezug auf die Horizontlinie fast senkrecht über der Sonne.
Hier sehen wir die Flugbahn des Kometen C/2023 P1 durch das Sternbild Löwe bis Mitte September 2023 gegen 06:15 Uhr MESZ. (Infografik: Thomas Baer, Redaktion ORION)
Hier noch eine weitere Darstellung mit den Mond- und Planetenpositionen. (Grafik: Thomas Baer, Redaktion ORION)
Kurze Zeit ist der Komet in unseren Breitengraden zwischen dem 11. und 21. September 2023 gegen 20:15 Uhr MESZ theoretisch auch am Abendhimmel zu sehen. Doch wie aus dem Kärtchen unten ersichtlich wird, erreicht C/2023 P1 keine grosse Höhe über dem westlichen Horizont. Sollte seine Aktivität nach der recht engen Sonnenpassage am 17. September – er zieht in nur 0.9 AE am Zentralgestirn vorbei – wider Erwarten zunehmen, ist durchaus eine Überraschung möglich.
Über dem abendlichen Westhorizont erreicht der Komet nur eine geringe Höhe. (Grafik: Thomas Baer, Redaktion ORION)
Was bedeuten die Zahlen und Buchstaben bei der Kometenbenennung?
Für Laien mögen die zum Teil seltsamen Bezeichnungen von Himmelskörpern Stirnrunzeln auslösen. Daher wollen wir am Beispiel des Kometen C/2023 P1 einmal aufzeigen, was die Nomenklatur genau bedeutet. Als erstes wird bei Kometen mit den Grossbuchstaben P, X, C, D oder I die Bahnform beschrieben. Wir haben die Erklärungen in einer kurzen Tabelle zusammengestellt.
P | Hier haben wir es mit einem kurzperiodischen Kometen zu tun, dessen Umlaufzeit um die Sonne kleiner als 200 Jahre beträgt. Per Definition gilt, dass mindestens zweimal ein Periheldurchgang registriert wurde. |
C | Ein langperiodischer Komet mit einer Umlaufzeit von über 200 Jahren, wird mit dem Buchstaben C versehen. Meist sind es Kometen, die nur einmal ins Innere des Sonnensystems vordringen und sich auf parabolischen oder hyperbolischen Bahnen der Sonne nähern. |
X | Bei Kometen, deren Bahn man nicht kennt, setzt man den Buchstaben X. Dies gilt insbesondere für «historische Kometen», die zwar gesichtet und in Chroniken erwähnt oder aufgezeichnet wurden, von denen man aber keine Bahndaten hat. |
D | Hierbei handelt es sich um einen «verschollenen» oder nicht mehr existierenden Kometen. Dies kann passieren, wenn sich ein Komet während des Perihels der Sonne zu stark angenähert hat, in die Sonne stürzte oder sich förmlich auflöste. |
I | Ab und zu kann es vorkommen, dass Bahn zeigt, dass die Herkunft des Objekts von ausserhalb des Sonnensystems stammt. Solche Objekte werden als «Interstellare Objekte» bezeichnen; daher der Buchstabe I. Bisher gibt es nur zwei astronomische Objekte, die diese Bezeichnung tragen: 1l/’Oumuamua und 2I/Borisov. |
A | Es kann auch sein, dass ein anfänglich für einen Kometen gehaltenes Objekt später als Asteroid enttarnt wird. |
Nomenklatur der Bahnart
Im Anschluss an die Bahnart des Kometen folgt das Entdeckungsjahr, in unserem Fall «2023». Etwas komplizierter wird es bei der Buchstaben-Zahl-Kombination «P1». Da im Laufe eines Jahres immer wieder neue Kometen entdeckt werden und die Astronominnen und Astronomen ordnungsliebende Menschen sind, hat man auch hierfür eine ausgeklügelte Nomenklatur geschaffen. Das Jahr, respektive die 12 Monate, werden mit den Buchstaben des Alphabets gekennzeichnet, und zwar so, dass vom 1. bis 15. Januar der Buchstabe «A», vom 16. (ab Mitternacht) bis 31. Januar der Buchstabe «B», vom 1. (wieder ab Mitternacht) bis 15. Februar der Buchstabe «C» gesetzt wird, usw. Der Buchstabe «I» wurde wegen Verwechslungsgefahr ausgelassen, «Z» war überzählig.
Monat | Jan | Feb | Mrz | April | Mai | Juni | Juli | Aug | Sept | Okt | Nov | Dez |
1. – 15. (bis Mitternacht) | A | C | E | G | J | L | N | P | R | T | V | X |
16. (ab Mitternacht) – Ende des Monats | B | D | F | H | K | M | O | Q | S | U | W | Y |
Die Monatseinteilungen bei Kometen
Wir können unseren Kometen somit einordnen. Er wurde in der ersten Augusthälfte des Jahres 2023 entdeckt. Die Zahl «1» gibt an, die wievielte Kometenentdeckung es zwischen dem 1. und 15. August ist; in unserem Fall ist es der erste Komet, der in dieser Zeitspanne neu gesichtet wurde.
Wenn der eigene Name am Himmel verewigt ist
Immer wieder hört und liest man von ominösen Sterntaufen und solchen Dingen. Dies ist absoluter Humbug. Sterne können nicht einfach «neu benannt» oder gar umgetauft werden! Die einzigen Objekte, die effektiv den Namen des Entdeckers oder der Entdecker tragen, sind Kometen. Bei den Asteroiden können Namensanträge bei der Internationalen Astronomischen Union IAU gestellt werden. Ein Entdecker hat innerhalb von zehn Jahren das Vorschlagsrecht für die Vergabe eines Namens. Dieser muss aber durch eine Kommission der IAU bestätigt werden, da es strenge Richtlinien für die Namen astronomischer Objekte gibt. So etwa wird nie ein Asteroid namens «Coca Cola» an unserem Nachthimmel zu finden sein, da kommerzielle Bezeichnungen nicht erlaubt sind.
Kometen tragen zu Ehren ihrer Entdecker deren Namen. Das wohl bekannteste Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit war Komet Hale-Bopp, benannt nach seinen beiden unabhängigen Entdeckern Alan Hale und Thomas Bopp, zwei Amateurastronomen. Beide hatten das «neue» Objekt gesichtet und ihre Entdeckung gemeldet. Nachdem ihr Fund von weiteren Astronomen bestätigt wurde, erhielt C/1995 O1 den Zusatz C/1995 O1 Hale-Bopp.
Heute heissen viele Kometen NEAT, LINEAR oder PANSTARRS
Mit dem Aufkommen automatischer Himmelsdurchmusterungs-Systeme wie Lincoln Near Earth Asteroid Research (LINEAR) oder Near Earth Asteroid Tracking (NEAT) ist die Wahrscheinlichkeit erheblich gestiegen, einen neuen Kometen oder bislang unbekannten Asteroiden zu finden. Und so erstaunt es wenig, dass bei Kometen diese Namen häufig vorkommen. Ein weiteres bodengebundenes Teleskop-System ist das Panoramic Survey Telescope And Rapid Response System (PANSTARRS), das seit 2010 im Einsatz steht. Und der Überraschungskomet NEOWISE vom Sommer 2020 wurde im Rahmen des Projekts NEOWISE (Near-Earth Object Wide-field Infrared Survey Explorer) mithilfe des reaktivierten Weltraumteleskops WISE entdeckt.
Komet NEOWISE im Juli 2020 über leuchtenden Nachtwolken in der beginnenden Morgendämmerung. (Bild: Thomas Baer, Redaktion ORION)
Astronomische Ereignisse im September 2023
Die schönsten Monatsereignisse im Überblick
Sonne | Die Sonne ist noch immer auf dem absteigenden Ast. Sie verlässt den Löwen am 17. und wechselt ins Sternbild Jungfrau, wo sie am 23. den Himmelsäquator südwärts passiert. Über den gesamten Monat betrachtet, sieht die Situation wie folgt aus: Die Sonnenaufgänge verspäten sich um weitere 39 Minuten von 06:44 Uhr MESZ (am 1. September) auf 07:23 Uhr am Monatsletzten. Bei den Sonnenuntergängen ist die Verfrühung mit 61 Minuten von 20:07 Uhr MESZ (am 1. September) auf 19:08 Uhr MESZ am 30. grösser; man spürt jetzt vor allem abends, wie die Tageslängen rasch kürzer werden. Auch die Mittagshöhe (Kulminationshöhe) der Sonne nimmt von 50.8° auf 39.7° merkbar ab. |
Mond | Der Mond startet noch fast voll in den September. Bis zum 7. September nimmt der Mond auf die Hälfte ab (Letztes Viertel) und nach einer weiteren Woche verzeichnen wir am 15. Neumond. Für den Rest des Monats können wir den Trabanten wieder am Abendhimmel sehen. Am 22. erscheint er wieder halb beschienen (Erstes Viertel). Vollmond haben wir dann am 29. |
Merkur | Nach der Monatsmitte startet der sonnennächste Planet seine zweite Morgensichtbarkeit in diesem Jahr. Am 6. steht er noch in unterer Konjunktion, vergrössert aber rasch seinen westlichen Abstand zum Tagesgestirn und erreicht schon am 22. seine grösste westlich Elongation mit 17° 52′. Der Abstand ist eher klein, da sich Merkur in Sonnennähe befindet. Auf die Sichtbarkeit in der Morgendämmerung hat dies jedoch kaum einen Einfluss, da die morgendliche Ekliptik steil zum Osthorizont verläuft und der Planet rasch an Höhe gewinnt und sich damit aus der hellen Dämmerungszone befreien kann. |
Venus | Venus hat im August ihre untere Konjunktion durchlaufen und entfernt sich bis zum 3. September rückläufig (also westlich) von ihr. Sie baut ihre Morgensichtbarkeit noch etwas aus und strahlt am 19. im «grössten Glanz». Sie befindet sich im Krebs, wandert jedoch im Laufe des Monats wieder durch den Löwen in Richtung Jungfrau. Besonders zu Monatsbeginn lohnt es sich, ein Teleskop auf Venus zu richten. Sie erscheint dann als noch recht schmale Lichtsichel mit einem scheinbaren Durchmesser von 50″. Bis zum Monatsende hat ihre Beleuchtung auf 36 % zugenommen und ihr Durchmesser schrumpft auf 32″. |
Mars | Wie schon im August bleibt Mars auch im September nicht zu beobachten. |
Jupiter | Jupiter kommt am 4. September im Sternbild Widder zum Stillstand und beginnt damit seine diesjährige Oppositionsperiode. Der Planet wird immer auffälliger und erreicht im Laufe des Monats eine Helligkeit von –2.8mag. Am 1. September geht er schon kurz vor 22:30 Uhr MESZ auf, am 30. bereits gegen 20:30 Uhr MESZ, knapp anderthalb Stunden nach Sonnenuntergang. So begleitet uns der Planet durch die ganze Nacht. |
Saturn | Der Ringplanet stand am 27. August in Opposition zur Sonne und kann auch im September mit Einbruch der Dunkelheit gut im Sternbild Wassermann beobachtet werden. Mit +0.5mag ist er zwar deutlich lichtschwächer als Jupiter, aber wir können ihn dennoch leicht finden, da in seiner unmittelbaren Umgebung keine auffällig hellen Sterne zu sehen sind. Seine Aufgänge verschieben sich von 19:59 Uhr MESZ (am 1.) auf 17:57 Uhr MESZ (am 30.). |
Uranus | Teleskopisch können wir Uranus ab dem späten Abend im Sternbild Widder aufstöbern. Wie Jupiter beginnt auch der leicht grünliche Planet seine Oppositionsperiode im Sternbild Widder. |
Neptun | Neptun nähert sich seiner Opposition, die er am 19. September erreicht. Wie Saturn können wir ihn teleskopisch die ganze Nacht hindurch beobachten. |
Komet C/2023 P1 | Vor allem am Morgenhimmel können wir den Kometen C/2023 P1 im Sternbild des Löwen verfolgen. Wie gut er sichtbar werden wird, ist schwierig zu sagen. Sicher wird man ihn durch ein Teleskop sehen. Ob er kurz vor seiner Sonnennähe auch von blossem Auge sichtbar wird, ist fraglich. |
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