Beitrag: Thomas Baer, Redaktion ORION
Thema des Monats: Jupiter und seine Galileischen Monde
Gleich Anfang November gelangt Jupiter, der grösste Planet des Sonnensystems in Opposition zur Sonne. Er ist damit das dominante Gestirn am Nachthimmel. Neben seinen Wolkenbändern, die man bereits in einem kleineren Fernrohr erkennen kann, bieten die vier hellen Jupitermonde fast jede Nacht eine kleine Show. Galileo Galilei hatte sie als erster Mensch 1610 entdeckt und erschütterte mit seiner Beobachtung die damalige Weltanschauung.
Wir schreiben das Jahr 1610, genauer den 7. Januar, als ein bekannter italienischer Astronom sein soeben fertiggebautes Linsenfernrohr auf den Planeten Jupiter ausrichtete. Galileo Galilei hiess der Mann, der die Astronomie in jener Zeit förmlich auf den Kopf stellte und nachhaltend prägte. Galilei war ein Anhänger der kopernikanischen Weltanschauung mit der Sonne im Zentrum des Planetensystems, und mit dem Einsatz seines «Sternenrohrs», das er nicht, wie damals in der Seefahrt üblich, zum Aufspüren von Feinden nutzte, sondern zwecks Himmelsbeobachtungen, darf man ihn sicher als Pionier der modernen Astronomie sehen. Er hatte die Gabe, genau zu beobachten, zu skizzieren und zu dokumentieren, und er war Zeit seines Lebens fest der Überzeugung, dass er mit seinen Entdeckungen richtig lag. Wie wir aber wissen, hatte es Galilei als Naturwissenschaftler nicht leicht und so kam es zum öffentlichen Glaubenskonflikt mit der katholischen Kirche, als er seine Theorien publik machte.
Die vier Sterne um Jupiter
Was Galilei in jener Januarnacht entdeckte, war sensationell, denn er war der erste Mensch, der in unmittelbarer Umgebung um den Planeten Jupiter zuerst zwei, später drei «Sterne» sah, die er schon durch seine am Folgeabend fortgeführte Beobachtung richtigerweise als zum Jupiter gehörende Objekte beschrieb. Über die Zeit konnte er nämlich sehen, dass der Planet, welcher sich vor den Sternen bewegte, diese vier «Sternchen» immer um sich scharte. Galilei hatte bald auch eine Erklärung; es mussten Monde sein, die um Jupiter kreisten, und zwar in recht engem Abstand, denn jeden Abend, wenn er den Planeten sah, standen die Trabanten in einer anderen Anordnung. Auch waren nicht immer alle vier zu sehen, dann nämlich, wenn einer der Monde hinter Jupiter stand oder vor diesem durchwanderte.
Die Entdeckung der vier hellen Jupitermonde – ihm zu Ehren später die «Galileischen Monde» genannt – widersprach komplett der damaligen Weltanschauung, die besagte, dass alle Objekte, selbst die Sonne, um die Erde kreisen würden. Unser Planet stand still im Zentrum des Universums, so die Vorstellung, welche die Kirche vertrat. Doch Galilei sah es mit eigenen Augen, dass um Jupiter vier Monde kreisen müssen!
Genaue Dokumentationen
Obwohl schon andere Zeitgenossen Galileis eigene Linsenteleskope besassen und mit diesen den Himmel durchmusterten, spricht man primär vom italienischen Naturgelehrten. Dies hängt wohl damit zusammen, dass Galilei wissenschaftlich arbeitete, sprich alles, was er sah und vermutete, aufzeichnete und mit Worten beschrieb; er führte eine Art «Himmelstagebuch». So dokumentierte er das rasch wechselnde Spiel der vier «Sternchen» (ital. stelle) minuziös, und konnte sich recht bald erklären, warum er nicht immer alle vier sehen konnte. Seine Überlegung war korrekt: Entweder passierte das «Sternchen» die Jupiterscheibe, wie wir im Dokument vom Januar 1610 (Zeile 5) sehen können, wo er eines dieser Sternchen vor Jupiter zeichnete. Er betrachtete das Jupitersystem räumlich; Monde konnten also vor oder hinter dem Planeten durchwandern.
Originalauszug aus Galileo Galileis Aufzeichnungen seiner Jupitermondbeobachtungen. (Quelle: Wikipedia)
1613 beobachtete Galilei Neptun – ohne es zu ahnen
Galilei führte seine Jupiterbeobachtungen fort. Dabei beobachtete er 1613 – ohne es zu wissen – die Jupiter-Neptun-Konjunktion, bei welcher Neptun Anfang Januar durch den Riesenplaneten sogar bedeckt wurde! Möglich war dies, weil die beiden Planeten fast zeitgleich im Dezember 1612 zu ihrer Oppositionsschleife ansetzten und sich somit synchron am Himmel bewegten. Als Neptun fast stillstand, kam es vom 3. auf den 4. Januar 1613 zwischen 18:29 Uhr und 04:33 Uhr zu einer äusserst seltenen Bedeckung zwischen den beiden Planeten. Wie aus seinen Skizzen hervorgeht, muss Galilei das Ereignis verfolgt haben. Allerdings ist es nicht ganz einfach, auf den Originalmanuskripten zu erkennen, welches Lichtpunkte und eben Neptun sind, oder ob es Artefakte sind. Das Astronomieprogramm StarryNight zeigt die Situation am 3. Januar 1613 um 21:30 Uhr so, wie sie von Galilei gezeichnet wurde. Allerdings steht da die Zeit 23:30 Uhr.
Galileis Skizze musste in den Morgenstunden des 3. Januars 1613 angefertigt worden sein. Zumindest lassen dies Astronomieprogramme vermuten. Jupiter ging damals nämlich erst kurz vor Mitternacht auf. Am 3. Januar selbst hätte er Neptun, da bereits bedeckt, gar nicht sehen können.
Leider verfolgte Galilei Neptun nicht weiter; womöglich hielt er ihn für einen Stern, da er sich, wie beschrieben, am Umkehrpunkt seiner Oppositionsschleife befand und sich kaum vor den Sternen bewegte. So bleibt der italienische Astronom nur der vermeintliche «Entdecker» Neptuns. Seine Existenz wurde erst 1846 durch Johann Gottfried Galle nachgewiesen, als dieser aufgrund von Bahnstörungen des Planeten Uranus gezielt nach Neptun suchte und ihn am 23. September tatsächlich im vorhergesagten Himmelsfeld fand.
Die Situation am Morgen des 3. Januar 1613 gegen 03:00 Uhr, nachgestellt mit der freien Astronomie-Software Stellarium (unten). Jupiter ging damals gegen 23:30 Uhr auf. Am 3. Januar war Neptun also bereits bedeckt. Galilei konnte ihn frühestens am Morgen des 4. Januar auf der Westseite des Planeten wieder entdecken. (Quelle: Wikipedia / Stellarium)
Die Jupitermonde selbst beobachten
Schon mit einem kleinen Teleskop lassen sich die vier grossen Jupitermonde erkennen. Gerade für Einsteigerinnen und Einsteiger in die Astronomie sind Galileis Beobachtungen durchaus reizvoll. Man kann ein eigenes «Beobachtungs-Tagebuch» führen und etwa versuchen, ob man den Umlaufzeiten der Trabanten auf die Spur kommt. Manchmal geschieht es, dass ein Jupitertrabant noch in guter Distanz zum Planeten plötzlich verschwindet; dann sind Sie Zeuge einer «Jupiter-Mondfinsternis» geworden; der Mond ist in den Schatten des Planeten eingetaucht.
Ab und zu – hierfür sind aber Vergrösserungen ab 250-fach nötig – können wir auch «Mini-Sonnenfinsternisse» verfolgen, wenn ein vor Jupiter durchwandernder Mond seinen Schatten auf die Planetenscheibe wirft. In Astronomiekalendern (auch auf dem ORION-Portal unter der Rubrik «Heute am Himmel») sind solche Jupitermondereignisse aufgelistet.
Hier sehen wir schematisch die Jupitermondereignisse im Januar, Juni und Dezember 2023. Dass Jupiter unterschiedlich gross erscheint, hat damit zu tun, dass er uns jetzt (und auch noch im Dezember) sehr viel nähersteht als noch im Juni. (Grafik: Thomas Baer, Redaktion ORION)
Ole Christensen Rømer und die Lichtgeschwindigkeit
Der dänische Astronom Ole Christensen Rømer (1644 – 1710) machte bei der Jupitermondbeobachtung eine seltsame Beobachtung: Der italienische Astronom Cassini hatte einen Zeitplan der Jupitermondverfinsterungen erstellt. Doch schon bald bemerkte er eine systematische Abweichung der berechneten zu den tatsächlichen Zeiten der Ereignisse. 1672 setzte Rømer diese Beobachtungen fort. Auch er registrierte diese zeitlichen Differenzen, aber noch mehr: Die Verfinsterungen traten zu früh ein, wenn sich die Erde auf ihrer jährlichen Bahn um die Sonne dem Jupiter (B) auf dem Kreisbogen von E über F und G bis zur Oppositionsstellung H nähert und verspätet, wenn sich die Erde wieder von ihm wegbewegte.
Zeittabellen von Ole Christensen Rømer. (Quelle: Thomas Baer, Redaktion ORION)
Rømer erklärte es mit der unterschiedlichen Entfernung zwischen Erde und Jupiter. Sollte die Lichtgeschwindigkeit tatsächlich eine «endliche Grösse» sein, so würden sich die beobachteten zeitlichen Differenzen zwischen Berechnung und Beobachtung erklären lassen. Am 23. August 1676 äusserte Rømer die Vermutung, dass eine vorausberechnete Verfinsterung des Mondes Io am 9. November 1676 rund 10 Minuten «zu spät» eintreten würde. Er sollte recht behalten! Rømer stellte seine Beobachtung der königlichen Akademie der Wissenschaften noch im selben Monat vor und publizierte eine Schrift dazu im wissenschaftlichen Journal des sçavans, dem ersten wissenschaftlichen Magazin in Europa.
Er gibt in seinem Artikel noch keine Grösse der Lichtgeschwindigkeit an, sondern bloss die Zeiten, die das Licht benötigt, um den Erdbahndurchmesser zu durchlaufen. Richtig: Im August 1676 stand Jupiter praktisch «hinter der Sonne» (E), im November dann in Opposition (H). Er berechnete 22 Minuten. Der korrekte Wert beträgt knapp 17 Minuten. Für Rømer war das primäre Ziel, zu zeigen, dass sich Licht nicht augenblicklich, sondern mit endlicher Geschwindigkeit ausbreitet.
Rømer nahm seine Beobachtungen bloss am Mond Io vor. Cassini kritisierte, dass man die drei anderen Monde genauso hätte überprüfen und als Beweis für die These verwenden sollen. Viele Astronomen, unter ihnen auch Cassini hielten trotz Rømers Entdeckung an der augenblicklichen Lichtausbreitung fest. Erst Netwon, Flamsteed, Halley und Huygens – alles namhafte Astronomiegrössen – waren von Rømers Idee überzeugt. Offiziell wurde die Lichtgeschwindigkeit als «endliche Grösse» erst 1729 anerkannt. Christiaan Huygens war der erste, der sie berechnete und auf einen Wert (in heutigen Einheiten) von 212’000 km/s kam. Er rechnete mit Rømers 22 Minuten.
Astronomische Ereignisse im November 2023
Die schönsten Monatsereignisse im Überblick
Sonne | Die Sonne ist weiterhin auf dem absteigenden Ast. Sie durchquert das Sternbild der Waage und den Skorpion. Über den gesamten Monat betrachtet, sieht die Situation wie folgt aus: Die Sonnenaufgänge verspäten sich um weitere 42 Minuten von 07:09 Uhr MEZ (am 1. November) auf 07:51 Uhr am Monatsletzten. Bei den Sonnenuntergängen ist die Verfrühung mit 31 Minuten von 17:09 Uhr MEZ (am 1. November) auf 16:38 Uhr MEZ am 30. wesentlich weniger ausgeprägt; wir nähern uns langsam dem Sonnentiefststand in diesem Jahr (22. Dezember) und damit dem Scheitelpunkt der scheinbaren Sonnenbahn. Auch die Mittagshöhe (Kulminationshöhe) der Sonne nimmt von 28.1° auf 20.9° nicht mehr so stark ab wie noch im Vormonat. |
Mond | Der Mond startet wie schon im Oktober als abnehmender Dreiviertelmond in den letzten Herbstmonat. Bis zum 5. November nimmt der Mond auf die Hälfte ab (Letztes Viertel) und nach einer weiteren Woche verzeichnen wir am 13. Neumond. Davor bedeckt die abnehmende Mondsichel am 9. kurz vor Mittag die Venus am Taghimmel. Für den Rest des Monats können wir den Trabanten wieder am Abendhimmel sehen. Am 20. erscheint er wieder halb beschienen (Erstes Viertel). Vollmond haben wir dann am 27. |
Merkur | Der sonnennächste Planet stand im letzten Monatsdrittel des Oktobers in oberer Konjunktion mit der Sonne. Zwar eilt Merkur dem Tagesgestirn östlich davon und vergrössert seinen Winkelabstand bis zum Monatsende auf 21°. Weil sich der Planet jedoch in den südlichsten Bezirken der Ekliptik aufhält, kommt es dennoch nicht zu einer Abendsichtbarkeit. |
Venus | Venus ist nach wie vor als heller «Morgenstern» zu sehen. Am 24. Oktober 2023 erreichte sie mit 46° 25′ ihre grösste westliche Elongation. Nichtsdestotrotz verspäten sich ihre Aufgänge im Laufe des Novembers um eine Stunde. Am Monatsersten wird sie kurz vor 03:00 Uhr MEZ sichtbar, Ende Monat eine Stunde später. Ein seltenes Ereignis gibt es am 9. November am Taghimmel zu beobachten: Zwischen 11:00 Uhr MEZ und 12:10 Uhr MEZ wird Venus durch die abnehmende Mondsichel bedeckt, ein Ereignis, das sich am besten im Schatten eines Gebäudes teleskopisch verfolgen lässt. Wer den Planeten durch ein Teleskop beobachtet, erkennt, wie der «Morgenstern» immer kleiner und rundlicher wird. Das Planetenscheibchen schrumpf auf 22″. |
Mars | Der Rote Planet wird am 18. November von der Sonne eingeholt und schliesslich überholt. Theoretisch wird er dabei von der Sonne bedeckt, da er am 6. den absteigenden Knoten seiner leicht geneigten Bahn passiert. Natürlich kann man dieses Ereignis nicht beobachten! Mars bleibt den gesamten Monat über unbeobachtbar. Am Tag seiner Konjunktion ist er 378 Millionen km von uns entfernt. |
Jupiter | Jupiter ist der eigentliche «Star» am Nachthimmel. Schon am 3. gelangt er in Opposition zur Sonne und hat damit seine beste Beobachtungszeit des Jahres erreicht. Mit seinen –2.9mag scheinbarer Helligkeit kann man den Planeten bereits in der fortgeschrittenen Abenddämmerung in östlicher Richtung entdecken und ist bis zum Tagesanbruch am Himmel zu sehen. Er steigt dabei auf 56½°. Schon am 1. November steht der Riesenplanet mit 596 Mio. km in Erdnähe. Sein Licht benötigt somit rund 33 Minuten zu uns. Wer den Planeten durch ein Teleskop betrachtet, stellt unschwer fest, dass er abgeplattet erscheint. Sein Äquatordurchmesser misst 49.5″, der Poldurchmesser bloss 46.3″. Für Sternwartebesucherinnen und -besucher bietet Jupiter nebst seiner markanten Wolkenbändern auch das reizvolle Spiel der vier hellen Galileischen Monde. |
Saturn | Der Ringplanet ist mit Einbruch der Dunkelheit im Südsüdosten auszumachen. Er verlangsamt seine Bewegung im Wassermann und wird am 4. November stationär; damit beendet er seine diesjährige Oppositionsperiode und wandert für den Rest des Jahres wieder rechtläufig durch den Zodiak. Auch seine Helligkeit geht von +0.7mag auf +0.9mag deutlich zurück. Im Laufe des späteren Nachmittags des 20. zieht der zunehmende Halbmond am Planeten vorüber. Bis in den Abend hinein können wir den Mond südlich des Planeten sehen. |
Uranus | Teleskopisch können wir Uranus mit Beginn der Nacht im Sternbild Widder aufstöbern. Er gelangt nur zehn Tage nach Jupiter ebenfalls in Opposition zur Sonne. |
Neptun | Neptun bremst seine rückläufige Bewegung im Sternbild der Fische stark ab und überschreitet am 27. die Sternbildgrenze zum Wassermann. Da es schon früh dunkel wird, kann man jetzt den Planeten gut mit einem Teleskop anpeilen. |
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