Beitrag: Thomas Baer, Redaktion ORION
Thema des Monats: Faszination «schwarze Sonne»
Am 8. April 2024 ereignet sich über Mexico und weiten Teilen Nordamerikas eine totale Sonnenfinsternis. Seit der «Millenniums-Sonnenfinsternis» 1999 über Europa scheint ein richtiger Boom entstanden zu sein, in die Gebiete zu reisen, wo die Sonne für wenige Minuten komplett hinter dem Mond verschwindet. Wir gehen der Faszination dieses unbeschreiblichen Naturschauspiels einmal auf den Grund.
Die Geometrie dieses Ereignisses ist einfach erklärt: Die Sonne bescheint Erde und Mond. Diese werfen, da nicht selbstleuchtend, einen Schatten ins All hinaus. Wenn der Mond als Neumond genau zwischen Erde und Sonne zu stehen kommt, fällt sein Schatten auf die Erde. In einem schmalen Band kann man, wenn der Mond in Erdnähe steht, eine totale Sonnenfinsternis erleben, weil der Mond am Himmel leicht grösser erscheint als die Sonnenscheibe selbst.
Weil aber die Mondbahn 5° gegen die Erdumlaufbahnebene um die Sonne geneigt ist, kommt es im Normalfall nur zweimal im Jahr vor, dass Neumond praktisch in derselben Ebene eintritt. In der übrigen Zeit wandert der Neumond während eines halben Jahres unter, dann wieder über die Sonne hinweg, ohne dass sein Schatten die Erde trifft. So können wir festhalten: Sonnen- und auch Mondfinsternisse finden alle knapp sechs Monate statt, und zwar meist paarweise. Eine Sonnenfinsternis wird immer von einer Mondfinsternis zwei Wochen davor oder danach begleitet. Seltener kann es auch passieren, dass es drei Finsternisse nacheinander gibt (Sonnen-, Mond-, Sonnenfinsternis oder Mond-, Sonnen-, Mondfinsternis).
Wohl eine der meistbeobachteten Sonnenfinsternisse
Wenn am 8. April 2024 der Kernschatten vom Pazifik herkommend auf Mexico und Texas trifft, um in den folgenden Stunden nordostwärts in Richtung Grosse Seen zu ziehen, werden Millionen von Menschen ihre Köpfe in den Himmel recken und dem grandiosen Schauspiel beiwohnen. Die Totalitätszone ist mit gut 200 km ausgesprochen breit und die Dauer der totalen Verfinsterung mit 4 min 28 s (über Mexico und Texas) überdurchschnittlich lang. Zur Erinnerung, wer sie damals erlebt hat; die totale Sonnenfinsternis vom 11. August 1999 dauerte damals im Raum Stuttgart lediglich halb so lang. Da sich die Totalitätszone quer durch die Bundesstaaten Texas, Arkansas, Missouri, Illinois, Kentucky, Indiana, Ohio, Pennsylvania, New York, Vermont, New Hampshire, Maine und New Brunswick mit den Millionenmetropolen San Antonio, Austin, Dallas, Indianapolis, Cleveland, Buffalo, Rochester, Kingston und Montréal verläuft, wird es wohl eine der meist beobachteten und fotografierten Sonnenfinsternisse sein.
Hier sehen wir das gesamte Gebiet, in dem die Sonnenfinsternis am 8. April 2024 entweder partiell oder total zu sehen sein wird. Mit Ausnahme von Alaska erlebt ganz Nordamerika die Finsternis. In der Totalitätszone liegen ausserdem Städte wie San Antonio, Dallas, Indianapolis, Toronto und Montreal. (Grafik: Thomas Baer, Redaktion ORION)
Über Mexico und Texas sind die Wetterchancen am grössten. Hier dauert die Finsternis mit 4 min 28 s auch am längsten. (Grafik: Thomas Baer, Redaktion ORION)
Hier sehen wir die Totalitätszone im Nordosten der USA im Bereich der Grossen Seen. (Grafik: Thomas Baer, Redaktion ORION)
Ort | P1* | T1* | Maximum | T2* | P2* | Dauer der Totalität |
Mazatlán (Mexico) | 10:51:27.8 | 12:07:30.3 | 12:09:39.3 | 12:11:48.7 | 13:32:12.4 | 4min 18.4s |
Torréon (Mexico) | 10:59:56.2 | 12:16:57.7 | 12:19:01.6 | 12:21:05.7 | 13:41:28.7 | 4min 08.0s |
San Antonio (Texas) | 11:14:33.5 | 12:33:24.7 | 12:34:21.3 | 12:35:17.9 | 13:55:44.4 | 1min 53.2s |
Austin (Texas) | 11:17:13.3 | 12:36:13.4 | 12:37.02.5 | 12:37:51.5 | 13:58.07.8 | 1min 38.1s |
Dallas (Texas) | 11:23:19.3 | 12:40:44.0 | 12:42:39.8 | 12:44:35.7 | 14:02:42.4 | 3min 51.7s |
Indianapolis (Indiana) | 12:50:34.3 | 14:06:04.2 | 14:07:59.7 | 14:09:54.9 | 15:23:13.9 | 3min 50.6s |
Cleveland (Ohio) | 12:59:22.5 | 14:13:45.8 | 14:15:40.6 | 14:17:35.0 | 15:29:00.1 | 3min 49.2s |
Niagarafälle (New York) | 13:04:50.9 | 14:18:17.9 | 14:20:03.6 | 14:21:48.9 | 15:31:58.5 | 3min 31.0s |
Montréal (Kanada) | 13:14:28.8 | 14:26:51.9 | 14:27:33.8 | 14:28:15.4 | 15:36:52.2 | 1min 23.4s |
Was macht die Faszination einer Sonnenfinsternis aus?
Lichtveränderung
Wer schon eine tiefe partielle Sonnenfinsternis miterlebt hat, weiss, wie eigenartig sich das Licht verändert. Es ist anders, als wenn sich eine Wolke vor die Sonne schiebt. Vielmehr ist es, als lege sich ein Grauschleier über die Landschaft, der einem die Illusion vermittelt, dass die Sonne scheint, aber nicht mit voller Stärke. Vielleicht kann man das Empfinden noch am ehesten mit einem Blick durch eine Sonnenbrille vergleichen. Aber selbst diese Vorstellung trifft es nicht perfekt. Adalbert Stifter beschrieb das Licht in seinem Aufsatz «Die Sonnenfinsternis am 8. Juli 1842» als eine Art Abendwerden ohne Abendröte.
Tatsächlich passt diese Beschreibung noch am ehesten. Es ist ein bleifarbenes Licht, so ähnlich, wie wenn bei uns Sahara-Staub in der Luft liegt. Die Sonne scheint, aber irgendwie doch nur fahl. Und was hinzukommt, sind die immer schärfer werdenden Schatten, welche die Natur auf einmal in einer ungewohnten Klarheit erscheinen lassen.
Lichtveränderung während der partiellen Phase, hier während der totalen Sonnenfinsternis vom 21. August 2017 über Kentucky. (Bilder: Thomas Baer, Redaktion ORION)
Die letzte Minute vor der Totalität
Kaum in Worte zu fassen, ist die letzte Minute vor Eintritt der totalen Finsternis. Jetzt geht alles auf einmal unglaublich schnell. Man nimmt jetzt den Lichtrückgang wahr, so als würde jemand einen Dimmer zurückdrehen. Auf der Haut spürt man das wärmende direkte Sonnenlicht nicht mehr; überhaupt kann die Temperatur mehrere Grade zurückgehen. Ich erinnere mich noch an die ringförmige Sonnenfinsternis von 2005 über Spanien, wo wir bei angenehmen 19 °C im T-Shirt starteten und spätestens bei 11 °C unsere Jacken überstreiften.
Dunkelheit mitten am Tag. Nur wer schon einmal eine totale Sonnenfinsternis erlebt hat, kann nachempfinden, wie es sich zu Zeiten angefühlt haben muss, als solche Ereignisse noch nicht präzise vorhergesagt werden konnten und es plötzlich finster wurde. (Bild: Thomas Baer, Redaktion ORION)
Da sich unsere Augen schon während der partiellen Phase stetig dem zunehmenden Dämmerlicht anpassen, ist die Wahrnehmung des Dunkelwerdens wirklich erst kurz vor Eintritt der totalen Finsternis überwältigend. Schon etwa eine gute Minute vor der Totalität kann man die innere Sonnenkorona schemenhaft erkennen. Die messerscharfe und hauchdünne Sonnensichel zerfällt am Schluss in einzelne gleissend helle Lichtperlen; wir sprechen vom «Diamantring-Effekt», weil die Sonne für Sekundenbruchteile wie ein Ring mit einem funkelnden Diamanten ausschaut.
Der Dimantring-Effekt während der totalen Sonnenfinsternis am 21. August 2017 über Kentucky. (Bild: Thomas Baer, Redaktion ORION)
Schliesslich erstrahlt sie feingliedrig weit über die dunkle Mondscheibe hinaus; die Sonnenkorona! Es ist ein wahrhaft magischer Anblick. Wie ein statisches «eingefrorenes» Bild steht jetzt die total verfinsterte Sonne am Firmament, der Himmel scheint ein «Loch» zu haben, verursacht durch unseren Mond, der jetzt als schwarze Scheibe das Licht der Sonne abschirmt. Die feinsten Streamer der Korona ragen sicher zwei bis sogar drei Mondscheiben weit über den Mondrand hinaus. Am kommenden 8. April dürfte man auch zahlreich Protuberanzen sehen, die Karminrot hinter dem Mond hervorzüngeln. Genau diese Minuten sind es, die einem das Gefühl vermitteln, als bliebe die Zeit kurz stehen. Eine Ruhe legt sich über das Land, und auch die Menschen beginnen meist zu flüstern. «Es ist der Moment, da Gott redete und die Menschen horchten», beschrieb Adalbert Stifter diese bedrückende Stimmung.
Wenn der Mondschatten abzieht
Ganz anders erlebt man dagegen das plötzliche Hellwerden. Zwar wird die Korona auf der einen Seite allmählich lichtintensiver, doch wenn der erste Sonnenstrahl durch ein Mondtal hervorbricht und es wie auf einen Schlag wieder hell wird und Gegenstände fahle Schatten zu werfen beginnen, wähnt man sich wie aus dem Erwachen eines Traums. Lassen wir noch einmal Stifter diese Sekunden beschreiben: «Wie herrlich, wie furchtbar» – gerade in diesem Momente hörte es auf: Mit eins war die Jenseitswelt verschwunden und die hiesige wieder da, ein einziger Lichttropfen quoll am oberen Rande wie ein weißschmelzendes Metall hervor, und wir hatten unsere Welt wieder.» Es ist ein seltsamer Moment; es ist nun zwar «hell; Sträucher, Bäume und Wiesen erhalten ihre Farben zurück. Doch schaut man um sich herum, ist es noch immer unheimlich dämmrig. Kein Wunder, wenn man eine zu 99 % verdunkelte Sonnensichel am Himmel stehen hat!
Der «erlösende Augenblick» ist gekommen, wenn das Licht zurückkehrt. (Bild: Thomas Baer, Redaktion ORION)
Der Kernschatten ist noch eine ganze Weile wie eine abziehende Gewitterfront zu sehen, die von der hervorbrechenden Sonne beschienen wird; mit dem Unterschied, dass es sich nicht um eine Wolke, sondern den Mondschatten handelt. Die Gänsehautmomente sind jetzt vorüber, und man beginnt die wohltuende Wärme der Sonne auf der Haut wieder zu spüren.
2026 in unserer Nähe
Wer noch nie in den Genuss einer totalen Sonnenfinsternis kam, darf sich schon jetzt auf den 12. August 2026 freuen. An diesem Abend wird es über Island, Portugal und Spanien (inklusive der Balearen) kurz vor Sonnenuntergang eine totale Sonnenfinsternis geben. Selbst in der Schweiz werden etwas mehr als 90 % der Sonnenscheibe durch den Mond abgedeckt. Es wird hierzulande die grösste Sonnenfinsternis seit dem 11. August 1999 sein.
Astronomische Ereignisse im April 2024
Die schönsten Monatsereignisse im Überblick
Sonne | Die Sonne ist weiter auf dem «aufsteigenden Ast» und wechselt im Laufe des Aprils von den Fischen in den Widder. Über den gesamten Monat betrachtet, sieht die Situation wie folgt aus: Die Sonnenaufgänge verfrühen sich um weitere 54 Minuten von 07:04 Uhr MESZ (Sommerzeit) am 1. April auf 06:10 Uhr MESZ am Monatsletzten. Abends ist es jetzt seit der Umstellung auf die Sommerzeit wieder deutlich länger hell. Bei den Sonnenuntergängen ist die Verspätung mit 41 Minuten von 19:56 Uhr MESZ (am 1. April) auf 20:37 Uhr MESZ am 30. etwas weniger gross. Die Sonne steigt jeden Tag etwas höher; die Mittagshöhe (Kulminationshöhe) nimmt weiter zu. Am 1. steht die Sonne 47.3° hoch im Süden, am 15. März dann 52.9° und steigt bis zum 30. weiter auf 57.5° an. |
Mond | Der Mond startet als abnehmender Halbmond in den zweiten Frühlingsmonat. Schon am 2. April verzeichnen wir das Letzte Viertel (abnehmender Halbmond). Am Morgenhimmel «schleicht» die abnehmende Mondsichel förmlich dem Horizont entlang. Am 8. ist Neumond. An diesem Tag ereignet sich über Nordamerika eine lange totale Sonnenfinsternis. Für den Rest des Monats können wir den Trabanten dann weitestgehend am Abendhimmel sehen. Am 10. trifft er auf Jupiter. Fünf Tage später, am 15., erscheint er halb beschienen (Erstes Viertel) und steht an diesem Abend etwas östlich der Zwillingssterne Pollux und Kastor. Vollmond haben wir dann am 24. im Sternbild der Jungfrau. |
Merkur | Der sonnennächste Planet hatte im März seinen grossen abendlichen Auftritt. Am 1. April wird er stationär und wandert nun rasch rückläufig und längst nicht mehr hell genug auf die Sonne zu, wo er am 11. in untere Konjunktion gelangt. Auch wenn sich der sonnennächste Planet bis zum Monatsende wieder auf 24° westlich vom Tagesgestirn entfernt, reicht dies nicht für eine Morgensichtbarkeit. Den Grund dafür finden wir in der sehr flach verlaufenden morgendlichen Ekliptik. So gehen Sonne und und die derzeitigen Morgenplaneten fast gleichzeitig auf. |
Venus | Venus hat sich schon gegen Ende März vom Morgenhimmel zurückgezogen und eilt der Sonne immer enger hinterher. Der Winkelabstand beträgt am 30. April nur noch gut 9°. Damit bleibt der Planet den gesamten Monat über unbeobachtbar. |
Mars | Der Rote Planet verlässt den Wassermann in Richtung Fische und nähert sich dem Himmelsäquator immer mehr an. Auch im April 2024 kann Mars noch nicht so richtig in Erscheinung treten. Auch wenn sein Abstand von der Sonne langsam wächst, machen die geometrischen Verhältnisse eine Sichtbarkeit – zumindest mit freiem Auge – unmöglich. |
Jupiter | In diesem Monat gibt der Riesenplanet seine Abschiedsvorstellung vom Abendhimmel. Er wandert rechtläufig durch den Widder, wird aber immer mehr von der höhersteigenden Sonne verfolgt. Einen hübschen Anblick dürfen wir uns noch vormerken; am Abend des 10. April sehen wir gegen 21:00 Uhr MESZ die extrem schmale Mondsichel zusammen mit Jupiter. |
Saturn | Auch der Ringplanet profitiert derzeit nicht davon, dass er sich schon deutlich westlich von der Sonne abgesetzt hat. Wie alle anderen «Morgenplaneten» kann man ihn bestenfalls zum Monatsende hin tief am östlichen Horizont auffinden. Die enge Begegnung mit Mars am 11. wird nur schwierig, und wenn, durch ein Fernglas oder Teleskop zu beobachten sein. |
Uranus | Wie Jupiter zieht sich auch Uranus vom Abendhimmel zurück und kann vorübergehend nicht mehr beobachtet werden. |
Neptun | Neptun stand Mitte des Vormonats in Konjunktion mit der Sonne und bleibt den gesamten Monat über unbeobachtbar. Somit können auch die Begegnungen mit Venus (am 3. April) und Mars (am 29.) nicht gesehen werden. |
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