Beitrag: Thomas Baer, Redaktion ORION
Objekt des Monats: Komet C/2023 A3 (Tsuchinshan-ATLAS)
Etwa ab dem 10. Oktober 2024 dürfen wir uns mit etwas Glück auf einen schönen Kometen am Abendhimmel freuen. Komet C/2023 A3 (Tsuchinshan-ATLAS) entwickelt sich aktuell gemäss Prognosen. Am 13. Oktober gelangt er in Erdnähe. Erste Sichtungen von der Südhalbkugel der Erde aus lassen uns optimistisch stimmen.
Bei Kometen ist der Grat zwischen Top und Flop immer schmal. Doch genau dies macht diese eisigen Vagabunden seit jeher zu Überraschungskandidaten. Wenn wir in Chroniken eintauchen, wird das Phänomen des plötzlichen Auftauchens und wieder Verschwindens oft als schlechtes Omen gedeutet. Kometen hatten noch bis weit ins 18. Jahrhundert den Ruf von Unheilbringern. Da man ihre Natur noch nicht verstand, brachte man Kometenerscheinungen gerne als Zeichen Gottes in Verbindung und schrieb ihnen alle möglichen Dinge zu, etwa Flutkatastrophen, Erdbeben, Feuersbrünste, Kriege oder gar den Tod eines Herrschers.
Die Kometenfurcht war ein über mehrere Jahrhunderte weit verbreitetes Phänomen, welches gut dokumentiert ist. Sogar, als der legendäre Komet Halley 1910 in die Nähe der Sonne zurückkehrte und man wusste, dass die Erde durch seinen Schweif ziehen würde, fürchteten sich die Menschen – so skurril dies anmuten mag – vor den spektroskopisch nachgewiesenen Spuren von Cyanwasserstoff. Dies löste einen regelrechten Kaufboom von Gasmasken aus! Im selben Jahr tauchte völlig überraschend der «Grosse Januarkomet» (C/1910 A1) auf, der selbst am Taghimmel zu sehen war und in Russland als Zeichen eines grossen Krieges im Fernen Osten gedeutet wurde. Es mag erstaunen, dass noch bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein Kometen eine solche «Symbolwirkung» hatten, zeigt gleichzeitig aber, wie wichtig eine gute Aufklärung ist.
Dass sich die Menschen vor ein paar Jahrhunderten vor Kometen fürchteten, ist aus heutiger Sicht hingegen nachvollziehbar. Kometen haben völlig andere Bahnen als die Planeten und der Mond. Sie scheinen sich um keine «himmlischen Verkehrsregeln» zu scheren und tauchen manchmal an Orten auf, wohin sich nie ein Planet verirrt. Und aufgrund ihrer oft schnellen Bewegungen tauchen Kometen plötzlich auf oder erfahren durch einen Ausbruch an ihrer Oberfläche beim nahen Vorbeiflug an der Sonne eine rasche Helligkeitszunahme und werden von einem auf den anderen Tag mit freiem Auge sichtbar.
Holzschnitt 1577 «Von einem Schrecklichen und Wunderbahrlichen Cometen». (Quelle: Wikipedia)
Was dürfen wir von Komet C/2023 A3 (Tsuchinshan-ATLAS) erwarten?
Der Komet wurde auf Bildern des Purple Mountain Observatory (auch Tsuchinshan Astronomical Observatory) am 9. Januar 2023 entdeckt, allerdings für einen Asteroiden gehalten. Am 22. Februar 2023 entdeckte das Asteroid Terrestrial-impact Last Alert System (ATLAS) am South African Astronomical Observatory (SAAO) in südafrikanischen Sutherland die Ausbildung eines Schweifes, womit das Objekt in die Familie der Kometen eingereiht wurde; daher auch der Doppelname «Tsuchinshan-ATLAS». Das Objekt war damals +19mag hell und war noch rund 1.2 Milliarden km weit von der Erde entfernt (zwischen der Saturn- und Jupiterbahn).
Bewegung des Kometen im Laufe von 9.5 Stunden am 24. Februar 2023, nur zwei Tage nach seiner ersten Sichtung. (Quelle: Wikipedia)
Schon kurz nach seiner Entdeckung rechneten die Astronomen mit einer möglichen Helligkeit des Kometen in Sonnennähe um +3mag herum, was ihn mit blossem Auge erkennbar werden liesse. Doch aufgepasst; hier spielt ein bisschen der «Hale-Bopp-Effekt» mit: Auch dieser Komet war damals jenseits der Jupiterbahn schon recht hell und entwickelte sich dann, wie wir wissen, zu einem der schönsten Kometen des 20. Jahrhunderts. Doch ist dies kein Garant dafür, dass auch C/2023 A3 spektakulär wird, auch wenn die Helligkeitsentwicklung vielversprechend aussieht. Erste Sichtungen Ende September zeigten ihn mit deutlich ausgebildetem Staubschweif.
Der Komet C/2023 A3 am 24. September 2024 in der Morgendämmerung. (Quelle: Wikipedia)
Wo wird man den Kometen sehen können?
Aus den bislang über 5’000 vorliegenden Beobachtungen, die sich über einen Zeitraum von mehr als 2 Jahren erstrecken, konnte eine erste Bahn des Kometen berechnet werden. Diese ist 139° gegen die Erdumlaufbahn um die Sonne geneigt und führte den Kometen am 27. September 2024 auf 58.6 Mio. km an die Sonne heran. Damit stand er etwa gleich weit vom Tagesgestirn entfernt wie Merkur. Aktuell gehen die Astronomen davon aus, dass der Komet auf seiner Reise ins innere Sonnensystem auf einer langgezogenen Ellipsenbahn unterwegs war, was seinen Ursprung in der Oortschen Wolke vermuten lässt. Die massereichen Planeten Jupiter und Saturn werden diese Bahn kaum bemerkenswert beeinflussen. Doch lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt über die Form seiner zukünftigen Bahn noch nichts sagen. Was aber fast sicher scheint: C/2023 A3 ist ein «Neuling».
Nach Sonnenuntergang dürfte man den Kometen zwischen dem 10. und 15. Oktober 2024 in Westrichtung sogar mit freiem Auge erkennen können. (Animation: Thomas Baer, Redaktion ORION, Horizontpanorame Zürich, Planetarium Zürich)
Vor seinem Perihel am 27. September 2024 konnte man den Kometen erstmals +2.6mag hell am Südhimmel sehen. Auf der Nordhalbkugel schaffte er es Ende September allerdings kaum weit genug über den Horizont, ehe ihn die Morgendämmerung rasch verblassen liess.
Ab etwa dem 10. Oktober 2024 taucht C/2023 A3 für die nördliche Hemisphäre am Abendhimmel auf. Am 12. Oktober 2024 steht er in Erdnähe. Es ist durchaus möglich, dass man ihn an den Abenden zwischen dem 10. und 15. Oktober 2024 gegen 19:30 Uhr MESZ mit blossem Auge sehen kann. Optimistische Prognosen gehen sogar von negativen Helligkeitswerten aus. Er steigt jeden Abend höher, durchquert zuerst die Schlange und später den Schlangenträger. Die scheinbare Helligkeit geht allerdings rasch zurück, so dass er nach dem 20. langsam zu einem Feldstecher-Objekt wird.
Die Bahn des Kometen am Westhimmel durch die Sternbilder Jungfrau, Schlange und Schlangenträger, dargestellt um 19:30 Uhr MESZ. (Grafik: Thomas Baer, Redaktion ORION, Horizontpanorame Zürich, Planetarium Zürich)
Warum sind Kometen unberechenbar?
Um das Verhalten eines Kometen zu verstehen, müssen wir den Aufbau dieser Objekte kennen. Sie bestehen zu einem wesentlichen Teil aus Wassereis, gefrorenen Gasen, Staub und Kohlenstoffverbindungen. Ihre Grössen können von wenigen hundert Metern bis zu mehreren Kilometern schwanken. Hale-Bopp etwa hatte einen Durchmesser von 30 km, Komet Churyumov-Gerasimenko, der wie eine Gummiente aussah, hat Abmessungen von ca. 4 km × 3.5 km × 3.5 km. Sobald ein Komet in Sonnennähe gerät, beginnt seine Oberfläche zu verdampfen; der feste Kometenkern beginnt auszugasen. Es bildet sich die sogenannte Koma, eine «Dunstglocke» um den Kern. Besonders eindrücklich konnte die ROSETTA-Raumsonde die Aktivität von 67P/Churyumov-Gerasimenko aus nächster Nähe dokumentieren.
Riesige Gasfontänen zeugen von der Aktivität an der Oberfläche des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko. (Bild: ESA)
Wie das Bild oben erkennen lässt, sind Kometen eigentliche Konglomerate und porös aufgebaut. Kommt es unvermittelt zu einem Ausbruch, kann dieser viel Staub mitreissen. Durch den Sonnenwind werden die freigesetzten Gase und Staubpartikel vom Kometenkern weggeblasen; es bildet sich der Schweif. Oftmals sieht man auf Fotos – je nach Perspektive auf das Objekt – sogar zwei Schweife, einen meist geraden Ionenschweif (oft bläulich oder grünlich gefärbt) und einen aufgefächerten, deutlich helleren Staubschweif.
Wie gut man einen Kometen sieht, hängt entscheidend auch davon ab, wie viel Staub er freisetzt und in seiner Flugbahn hinter sich zurücklässt. Die kleinen Partikel reflektieren das Sonnenlicht besser. Über die genaue Zusammensetzung von C/2023 A3 lassen sich noch keine genauen Angaben machen, und auch das Verhalten seiner Oberfläche ist schwierig einzuschätzen. Da auch Kometenkerne rotieren, kann es passieren, dass Gebiete stärker erwärmt werden, und es vermehrt zu Ausgasungen kommt. Genau dies sind die Unsicherheitsfaktoren, die Kometen mit sich bringen.
Astronomische Ereignisse im Oktober 2024
Die schönsten Monatsereignisse im Überblick
Sonne | Auf ihrer Reise in die südlichen Gefilde zieht die Sonne im Oktober an der Jungfrau vorbei und kommt am 31. in der Waage an. Über den gesamten Monat betrachtet, sieht die Situation wie folgt aus: Die Sonnenaufgänge verspäten sich um weitere 34 Minuten: Am 1. Oktober geht die Sonne um 07:25 Uhr MESZ auf, am 15. um 07:48 Uhr MESZ und am Monatsletzten um 08:01 Uhr MESZ, respektive 07:01 Uhr MEZ. Abends beträgt die Verfrühung der Sonnenuntergänge 55 Minuten, von 19:05 Uhr MESZ (am 1.) auf 18:10 Uhr MESZ (17:10 Uhr MEZ) am 31. Die Mittagshöhe nimmt weiter ab. Am 1. steht die Sonne noch 39.0° hoch im Süden, am 15. dann 33.3° und sinkt bis zum 31. weiter auf 28.2° ab. |
Mond | Am 1. Oktober können wir die hauchdünne abnehmende Mondsichel um 07:00 Uhr MESZ rund 10° hoch im Osten sehen. Am 2. haben wir Neumond. An diesem Tag ereignet sich im Pazifik, über Südamerika und dem Atlantik eine ringförmige Sonnenfinsternis. Danach wechselt der Mond an den Abendhimmel, wo er am 10. das Erste Viertel und am 17. seine volle Phase erreicht. Am selben Tag steht der Mond in Erdnähe. Am 24. steht der Mond im Letzten Viertel. Er zieht an Mars vorüber und nimmt bis zum Monatsletzten weiter ab. |
Merkur | Der sonnennächste Planet stand soeben in oberer Konjunktion mit der Sonne. Bis zum Monatsende wächst sein östlicher Abstand zwar auf 18.5° an, doch er schafft es diesmal nicht weit genug an den Abendhimmel, womit der Planet unbeobachtbar bleibt. |
Venus | Schon seit dem Sommer wäre Venus eigentlich «Abendstern», doch dieses Mal spielt sie ihre Rolle als auffälliger Planet nicht aus. Sie schleicht förmlich dem Horizont entlang und baut ihr Beobachtungsfenster nach Sonnenuntergang nicht aus. Wir können sie tief am Südwesthimmel ausmachen. Schuld an ihrer ungünstigen Sichtbarkeit ist ihre südliche Lage in den Sternbildern Skorpion und Schlangenträger. |
Mars | Der Rote Planet bremst seine Bewegung langsam ab. Er steht in den Zwillingen und passiert am 19. den Stern Pollux knapp 6° südlich. Die scheinbare Helligkeit nimmt von +0.4mag auf 0.0mag täglich zu. Damit ist der Planet deutlich heller als die Zwillingssterne und aufgrund seiner leicht orangen Färbung einfach zu finden. Mitte Monat geht Mars gegen 23:30 Uhr MESZ auf. |
Jupiter | Noch etwas vor Mars kommt Jupiter am 9. im Sternbild Stier zum Stillstand und beginnt damit seine Oppositionsschleife. Allerdings erfolgt die exakte Gegenüberstellung zur Sonne erst im Dezember. Doch an der markanten Helligkeitszunahme auf –2.7mag können wir unschwer feststellen, dass wir uns mit der Erde auf Jupiter zubewegen. Jupiter erscheint zur Monatsmitte schon bald nach 21:00 Uhr MESZ. |
Saturn | Ringplanet Saturn steht nach seiner Opposition mit Einbruch der Dunkelheit schon hoch über Ost zu Süd und wandert bis in die Morgenstunden nach Westen. Er verlangsamt seine Bewegung im Sternbild Wassermann, was wir gut am Stern Lambda Aquarii als Referenz beobachten können. Saturn geht morgens jetzt deutlich früher unter; über den gesamten Oktober gesehen ziemlich genau 2 Stunden. |
Uranus | Uranus können wir teleskopisch ab dem späten Abend im Stier, etwas südlich der Plejaden, anpeilen. Er ist jetzt rückläufig unterwegs und steuert auf seine Opposition zu, die Mitte November erfolgen wird. |
Neptun | Nach seiner Opposition ist Neptun in Nachbarschaft Saturns noch immer ein Grossteil der Nacht hindurch teleskopisch zu beobachten. Er hält sich nahe des Frühlingspunktes auf. |
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