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Der Sternenhimmel im April 2023

Beitrag: Thomas Baer, Redaktion ORION

Objekt des Monats: Merkur – Ein Gesteinsplanet der Extreme

In nur 88 Tagen umrundet der sonnennächste Planet unsere Sonne. Von der Erde aus ist er ein oft schwierig zu beobachtendes Objekt, wenn er sich, wie aktuell diesen April, weit genug aus der abendlichen Dämmerung befreien kann. Über Merkur ist noch nicht sonderlich viel bekannt; kein Wunder, denn BepiColombo, eine  europäisch-japanische Raumfahrtmission (ESA/JAXA) ist erst die dritte Reise zum innersten Planeten nach Mariner und Messenger. Ab 2025 beginnen dann die eigentlichen Forschungsarbeiten. Bis dahin wird die Sonde noch vier Swingby-Manöver vollziehen; das nächste am 20. Juni 2023.

Im April 2023 ergibt sich eine sehr gute Gelegenheit, Merkur zu beobachten. Schon ab Monatsbeginn kann man ihn gegen 20:45 Uhr MESZ über West zu Nord erblicken. Er ist dann noch –1.1mag hell! Auch wenn in den folgenden Tagen die scheinbare Helligkeit allmählich zurückgeht, wird dieser Verlust durch das rasche Höhersteigen so gut wie kompensiert. Das beste Beobachtungsfenster erstreckt sich zwischen dem 8. und 15. April 2023. Dann ist der Planet um die besagte Uhrzeit 10° und etwas höher über der Horizontlinie sichtbar und auch für Laien leicht aufzufinden. Das unten gezeigte Kärtchen dient als Suchhilfe. Ausgehend von der hellen Venus wird man leicht auf Merkur stossen. Ein Feldstecher dürfte die Suche gewiss erleichtern.

Ende März begegnete Merkur während seines Aufstiegs dem sich vom Abendhimmel verabschiedenden Jupiter. (Grafik: Thomas Baer, Redaktion ORION)


Merkur bietet im April 2023 die beste Abendsichtbarkeit in diesem Jahr. (Grafik: Thomas Baer, Redaktion ORION)

Warum ist Merkur oft schwierig zu beobachten?

Zwar taucht Merkur in diesem Jahr vier Mal am Abendhimmel und ebenso häufig am Morgenhimmel auf, doch nur noch im September (morgens) und im Dezember (abends) wird man ihn einigermassen gut beobachten können. Wie wir wissen, umkreisen die Planeten unsere Sonne mehr oder weniger in der Ekliptikebene. Merkur weicht mit 7° davon etwas mehr ab als unser Mond mit 5°. Nun ist es so, dass sich die scheinbare Lage der Ekliptik gegenüber des Horizonts über die Jahreszeiten ändert. Am Abend nach Sonnenuntergang ist in unseren Breitengraden vor allem der Frühling für die besten Merkur-Abendsichtbarkeiten prädestiniert, denn jetzt schwingt sich die Ekliptik steil über den Westhorizont und «hebt» den sonnennächsten Planeten an, wenn sich dieser in grösster östlicher Elongation befindet. Ab dem Spätsommer verschlechtern sich die Bedingungen; jetzt flacht der Winkel wieder ab und Merkur schafft es oft nicht mehr, sich weit genug über den Horizont zu bewegen.
Am Morgenhimmel haben wir genau eine umgekehrte Situation. Die besten Merkur-Morgensichtbarkeiten haben wir stets in den Monaten September, Oktober und November, während sich Merkur in den Frühlingsmonaten nur sehr schwierig beobachten lässt.


In dieser Infografik wird gezeigt, warum Merkur über die Jahreszeiten betrachtet nicht immer gleich gut beobachtet werden kann. Massgeblich ist dabei die Lage der Ekliptik, also der scheinbaren jährlichen Sonnenbahn. Am Abendhimmel verläuft diese besonders im Frühjahr recht steil zum Horizont. Daher befreit sich Merkur viel besser aus den helleren Bereichen der Dämmerung und ist demzufolge leichter auffindbar. Am Morgenhimmel ist die Situation genau umgekehrt. Die beste Jahreszeit ist jetzt der Herbst. (Infografik: Thomas Baer, Redaktion ORION)

Warum ist Merkur trotz seiner Sonnennähe nicht der heisseste Planet?

Merkur steht im Mittel der Sonne 57.909 Mio. km nahe. Zum Vergleich: Die Erde ist 149.6 Mio. km vom Tagesgestirn entfernt. Zwar steigen die Temperaturen auf Merkur auf dessen Tagseite auf gegen 700 K (oder +427 °C), sinken aber nachts auf 100 K (oder –173 °C). Wir haben einen Temperaturunterschied von 600 °C! So extreme Verhältnisse zwischen Tag und Nacht gibt es sonst nirgendwo in unserem Sonnensystem. Doch an die Temperaturen von Venus (710 K bis 770 K oder +437 °C bis 497 °C) kommt der kleine Merkur dennoch nicht heran, obwohl diese knapp doppelt so weit von der Sonne entfernt steht. Der Unterschied zwischen den beiden unteren Planeten ist, dass Venus von einer mächtigen CO2-Atmosphäre umhüllt wird, welche die ankommende Wärmestrahlung konserviert. Auf Venus herrscht ein «Super-Treibhauseffekt». Somit ist auch der Tag-Nacht-Unterschied nicht sehr gross. Merkur aber besitzt keine Atmosphäre im herkömmlichen Verständnis. Sie ist sehr viel dünner als ein labortechnisch erzeugtes Vakuum. Die verschwindenden Anteile von Wasserstoff (22 %) und Helium (6 %) stammen womöglich vom Sonnenwind, die Sauerstoff- (42 %), Natrium- (29 %) und Kalum-Anteile (0.5 %) stammen von der Oberfläche selbst, wie die Astronomen vermuten. Der atmosphärische Druck an Merkurs Oberfläche beträgt gerademal 10−15 Bar. Die Atmosphäre kann somit keine isolierende Wirkung entfalten, und so wird der felsige Grund tags stark erhitzt und strahlt nachts stark ab und kühlt aus.

Der innere Aufbau

Merkur zählt wie die Venus, die Erde und der Mars zu den terrestrischen Planeten (Gesteinsplaneten). Mit seinem Durchmesser von 4’878 km ist er deutlich grösser als unser Mond, jedoch kleiner als der Jupitermond Ganymed und Saturnmond Titan. Was seine Dichte von 5.427 g/cm³ anbelangt, kommt er trotz seiner kleinen Grösse an die Dichte unserer Erde heran (5.514 g/cm3). Das unten abgebildete Diagramm veranschaulicht diesen Sachverhalt und zeigt, dass Merkur völlig aus der Reihe tanzt!


Im Radien-Dichte-Verhältnis fällt Merkur komplett aus der Reihe. (Grafik: Thomas Baer, Redaktion ORION)

Er muss eine «schwerere» Zusammensetzung haben als die restlichen Gesteinsplaneten. Ein Blick ins Innere des Planeten löst das Rätsel. Merkur besitzt einen im Verhältnis zum seinem Radius riesigen Kern, dessen Hauptbestandteil – immerhin etwa 65 % – aus Nickel und Eisen besteht und damit fast 70 % seiner Gesamtmasse ausmacht. Über den Durchmesser des Kerns gibt es etwas unterschiedliche Angaben zwischen 3’600 und 4’100 km (fester und äusserer Kern zusammen). Damit macht der Kern mehr als 80 % des Planetendurchmessers aus und ist grösser als der Erdmond!

Warum Merkur eine derart hohe Masse besitzt, rätselt man noch heute, doch es gibt ein paar mögliche Erklärungsversuche. Eine Theorie geht davon aus, dass Merkur ursprünglich ähnlich aufgebaut war wie die Chondrite, die meist verbreitete Klasse der Meteoriten (Metall-Silikat-Aufbau). Die Planetenforscher vermuten, dass Merkur in der Frühzeit von einem Asteroiden getroffen sein musste, der einen wesentlichen Teil der Planetenkruste und des Mantels wegriss, so dass fast nur der Kern übrig blieb.

Eine andere Theorie beschreibt eine frühe Entstehung des Planeten zu einer Zeit, als die junge Sonne noch viel aktiver war. Die Wissenschaftler gehen von einer doppelt so grossen Masse des Planeten aus. Die Protosonne muss diesen auf 2’500 K bis 3’000 K so stark erhitzt haben, dass ein erheblicher Teil seiner Materie verdampfte und vom Sonnenwind mitgerissen wurde.

Noch eine andere Theorie schlägt vor, dass Merkur von einem oder mehreren Protoplaneten in seiner jungen Entstehungsphase gestreift wurde, wodurch sein damals wesentlich mächtigerer Gesteinsmantel verloren ging.

Der Kern von Merkur macht fast 84 % des gesamten Planetendurchmessers aus. (Quelle: Wikipedia)

Was wird BepiColombo erforschen?

Die Raumsonde BepiColombo ist seit Oktober 2018 unterwegs. Es ist eine Gemeinschafts-Mission der beiden Weltraumorganisationen ESA (Europäischen Weltraumorganisation) und JAXA (Japan Aerospace Exploration Agency). Doch bis zum finalen Einschwenken in einen Orbit dauert es noch fast drei Jahre! Nicht weniger als neun Swingby-Manöver (eines an der Erde, zwei an der Venus, die restlichen bei Merkur) vollzieht die Sonde dabei. Dabei hat die Sonde schon spektakuläre Nahaufnahmen der mondähnlichen Planetenoberfläche geschossen.

Die Sonde BepiColombo, hier in einer künstlerischen Darstellung. (Quelle: Wikipedia)

Die Sonde besteht aus zwei unabhängigen Satelliten, dem europäischen «Mercury Planetary Orbiter» (MPO) und dem japanischen «Mercury Magnetospheric Orbiter» (MMO). Ab 2025 werden die beiden Satelliten auf unterschiedlichen Umlaufbahnen den Planeten umrunden. Die europäische Sonde schwenkt auf eine tiefe polare Umlaufbahn ein und wird Merkurs Oberfläche aufnehmen und die innere Zusammensetzung des Planeten erforschen. U. a. kommt ein Laser-Höhenmesser mit einer Ortsauflösung von 50 m zum Einsatz. Dieser wurde vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Zusammenarbeit mit der Universität Bern, dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung und dem Instituto de Astrofisica de Andalucia realisiert. Die japanische Sonde studiert das Magnetfeld und dessen Wechselwirkung mit dem Sonnenwind.

Astronomische Ereignisse im April 2023

Die schönsten Monatsereignisse im Überblick

SonneDie Sonne erklimmt immer höhere Deklinationen; die Tage sind jetzt bereits deutlich länger als die Nächte. Die Sonnenaufgänge verfrühen sich im Laufe des Monats um eine weitere Stunde von 07:06 Uhr MESZ auf 06:11 Uhr MESZ, die Sonnenuntergänge verspäten sich 19:55 Uhr MESZ (am 1. April) auf 20:36 Uhr MESZ (am 30.). In dieser Zeit steigt das Tagesgestirn mittags von knapp 47° auf gut 57° über den Südhorizont.
MondDer Mond startet als grosser zunehmender Dreiviertelmond in den Monat. Ostervollmond ist am 6. April im Sternbild der Jungfrau. Das Letzte Viertel verzeichnen wir am 13. April, Neumond am 20. An diesem Tag ereignet sich vom südlichen Indischen Ozean bis in den Westpazifik eine der seltenen ringförmig-totalen Sonnenfinsternisse. Im letzten Monatsdrittel nimmt der Mond wieder zu: Das Erste Viertel verzeichnen wir am 27. April.
MerkurDen sonnennächsten Planeten können wir ab Monatsbeginn bis in die dritte Aprilwoche hinein am Abendhimmel beobachten. Das beste Beobachtungsfenster liegt zwischen dem 8. und dem 15. April 2023.
VenusVenus baut ihre Abendsichtbarkeit weiter aus. Nach Sonnenuntergang strahlt sie brillant im Westen.
MarsMars ist jetzt nicht mehr sonderlich auffällig. Er wandert im April 2023 durch die Zwillinge weiter. An den beiden Sternen Pollux und Kastor kann man seine Bewegung gut verfolgen.
JupiterDer grösste Planet des Sonnensystems gelangt am 11. April 2023 in Konjunktion mit der Sonne und wandert dabei (natürlich unbeobachtbar) an der Sonne vorbei.
SaturnDer Ringplanet zeigt sich jetzt stets früher vor Sonnenaufgang am Morgenhimmel.
UranusUranus ist zunächst noch teleskopisch noch bis in die ersten Abendstunden hinein zu beobachten. Zum Monatsende hin wird er aber ein immer schwierigeres Beobachtungsobjekt.
NeptunNeptun stand im Vormonat in Konjunktion mit der Sonne. Allmählich wird er nun am Morgenhimmel teleskopisch beobachtbar.
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