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Der Sternenhimmel im Dezember 2023

Beitrag: Thomas Baer, Redaktion ORION

Thema des Monats: Polarlichter bis nach Mitteleuropa – Chancen in diesem Winter sind gross

Schon zweimal konnte man im Herbst bis in mittlere geografische Breiten Polarlichter erleben. Auch von der Schweiz aus waren sie sichtbar. Unsere Sonne ist derzeit äusserst aktiv, und die Chance, dass wir in diesem Winter noch weitere Male dieses faszinierende Schauspiel erleben können, ist durchaus gegeben.

Die Aurora borealis, wie das Nordlicht im wissenschaftlichen Jargon genannt wird, ist normalerweise nur in den hohen geografischen Breiten in den dunklen Jahreszeiten zu beobachten. Wenn die Sonne allerdings, wie derzeit, eine hohe Aktivität aufweist, können nach einem koronalen Massenauswurf Polarlichter auch deutlich weiter südlich sichtbar werden, wie dies am 24./25. September und am 5. November 2023 bereits zweimal der Fall war.

Wenn die Erde von einer Plasmawolke getroffen wird

Unsere Sonne strebt ihrem Aktivitätsmaximum entgegen, das sie voraussichtlich schon im nächsten Jahr erreichen dürfte. Dies manifestiert sich durch eine Vielzahl an Sonnenflecken, welche derzeit zu beobachten sind. Mit der erhöhten Sonnenaktivität sind auch koronale Massenauswürfe (englisch coronal mass ejectionCME) sehr viel wahrscheinlicher. Dass die Erde von einem CME tatsächlich erfasst wird, können wir uns von der Sonne aus betrachtet bildlich etwa so vorstellen, wie wenn ein in 10 Metern Abstand befindlicher Stecknadelkopf getroffen werden müsste.
Der Sonnenwind ist ein Plasma mit einer durchschnittlichen Dichte von ca. 5 Teilchen/cm³ und einer durchschnittlichen Geschwindigkeit zwischen 500 bis 800 km/s. Eine Plasmawolke, die in den Weltraum geschleudert wird, benötigt je nach Heftigkeit des Ausbruchs zwischen 2 bis 3½ Tage, bis sie die Erde erreicht. Da die Sonne im Schnitt in 25.4 Tagen einmal um ihre Achse rotiert – dies ist die Rotation auf 26° heliografischer Breite – wandern auch die Sonnenflecken über die Sonnenscheibe. Taucht eine neue Fleckengruppe am östlichen (linken) Sonnenrand auf, so würde die Erde nicht getroffen, wenn es zu einem Ausbruch käme.

Die Sonne am 25. November 2023. Zahlreiche Fleckengruppen zieren derzeit die Sonnenscheibe. Besonders aktiv ist das Gebiet 3500. Wenn die Erde von einer Plasmawolke getroffen werden sollte, muss der Ausbruch in der rechten Hälfte der Sonne stattfinden (leicht rot gefärbte Zone) Die Sonne rotiert im Bild von links nach rechts. (Quelle: NASA / SOHO)

Durch die Sonnenrotation wird die ausgeworfene Plasmawolke spiralförmig verquirlt (siehe Abbildung unten). Findet ein Ausbruch im rechten Bereich der Sonnenscheibe (im Bild oben im leicht rötlich gefärbten Bereich) statt, so ist die Chance gross, dass wir einen «Volltreffer» abbekommen. Entscheidend dabei ist, wie sich die ausbreitende Plasmawolke verhält. Sie kann auf ihrer Reise zur Erde zerrissen werden, so dass wir letztlich nur noch einen «Streifschuss» abbekommen.
Ob es letztlich zu einer erhöhten Polarlichtaktivität kommt und wie intensiv diese ausfallen, hängt im Wesentlichen von der Dichte der Plasmawolke ab, welche die Erde erreicht.

Hier sehen wir eine räumliche Darstellung, wie sich nach einer Sonneneruption die Plasmawolke von der Sonne (gelb in der Mitte) entfernt. In dieser Sequenz sehen wir, wie sich die Plasmawolke zweiteilt. Der grüne Punkt ist unsere Erde, umgarnt von den beiden Satelliten Stereo 1 und 2 (blauer und roter Punkt). (Quelle: Spaceweather)

Wie entstehen eigentlich Polarlichter?

Wenn elektrisch geladene Teilchen des Sonnenwinds (zumeist Elektronen, seltener Protonen) aus der Magnetosphäre auf Sauerstoff- oder Stickstoffatome in der oberen Erdatmosphäre treffen, werden diese kurzzeitig angeregt (ionisiert), sprich in einen höheren energetischen Zustand gebracht. Die Elektronen befinden sich vorübergehen auf einem höheren Energieniveau, fallen danach jedoch wieder auf ihre ursprüngliche Bahn zurück. Wir sprechen von einer Rekombination, ein physikalischer Vorgang, bei dem Fluoreszenzlicht ausgesandt wird, das wir als Polarlicht wahrnehmen können.

Der Sonnenwind staucht das Erdmagnetfeld. Aufgrund ihrer Ladung werden die Sonnenwindpartikel hauptsächlich längs der Richtung des Erdmagnetfeldes abgelenkt und umströmen die irdische Magnetosphäre. (Infografik: Thomas Baer, Redaktion ORION)

Die eintreffenden Sonnenwindpartikel platten die sonnenzugewandte Erdmagnetosphäre ab und bilden auf der gegenüberliegenden Seite einen langen Schweif aus. Infolge ihrer Ladung werden die geladenen Sonnenwindpartikel längs der Richtung des Erdmagnetfeldes abgelenkt; sie umströmen die Magnetosphäre. Da der Sonnenwind nie konstant ist, wabert die Magnetosphäre, und es werden Ströme induziert. Wir haben es mit einem recht komplexen System bewegter elektrischer Ladungen zu tun. In den Polargebieten, wo die irdischen Magnetfeldlinien die Erdoberfläche durchstossen, werden die Sonnenwindteilchen eingefangen, und es kommt zu Kollisionen der Plasmateilchen mit verdünnten Gasen in den hohen Schichten der Atmosphäre.

Die Polarlichter wurden am 17. März 2023 etwa 20 km westlich von Tromsø (Norwegen) aufgenommen. Die Blickrichtung ist ungefähr Norden, links oben im Bild befindet sich der helle Stern Capella. Im Vordergrund das eisfreie Wasser des Grøtfjords mit den Lichtern der Siedlung Vengsøy in der Ferne. Das Bild wurde mit einer Canon EOS RP mit 16 mm Weitwinkelobjektiv bei ISO 6400 6 s belichtet. Das Foto wurde anschliessend mit Topaz DeNoise entrauscht und in Affinity Photo fertig bearbeitet. (Bild: Fabian Mathis)

Grüne Polarlichter deuten auf eine Ionisation mit Sauerstoffatomen (Wellenlänge 557.7 nm) hin. Sie entstehen meist in Höhen zwischen 100 und 200 km. Die selteneren rötlichen, violetten Polarlichter entstehen bei der Interaktion mit Stickstoffmolekülen in einem Höhenbereich von über 200 km. Ionisierter Stickstoff sendet im Wellenlängenbereich von 427.8 nm und 391.4 nm violettes bis blaues Licht aus. Dies ist auch eine Erklärung, warum wir hier in Mitteleuropa vermehrt «nur» die rötlich schimmernden Polarlichter zu sehen bekommen.

Die Polarlichter wurden am 11. März 2023 etwa 15 km südlich von Alta (Norwegen) aufgenommen. Die Blickrichtung ist ungefähr Nordosten, am linken Bildrand das Sternbild Leier mit Wega, am rechten Bildrand der Stern Arktur, hoch darüber der grosse Wagen. Das Bild wurde mit einer Canon EOS RP mit 16 mm Weitwinkelobjektiv bei ISO 6400 8 s belichtet. Wir sehen hier eindrücklich, wie sich der obere Bereich des Polarlichts rötlich färbt. Das Foto wurde anschliessend mit Topaz DeNoise entrauscht und in Affinity Photo fertig bearbeitet. (Bild: Fabian Mathis)

Der Sonnenwind kann ausserhalb der Polargebiete, also in den gemässigten Zonen, weniger tief in die Erdatmosphäre eindringen. Ausserdem darf man sich über die Farbwahrnehmung nicht täuschen lassen. Wirklich farbig nimmt man die Polarlichter nicht wahr, wie auch Fabian Mathis, der ein paar seiner eindrücklichsten Bilder für diese Monatsvorschau zur Verfügung gestellt hat, bestätigt. Vielmehr nehme man einfach eine leicht neblige Wolke wahr, die sich wie eine Gardine langsam bewegt und verformt. Da sich das menschliche Auge mit dem Farbsehen nachts schwertut – darum erscheinen auch Deep Sky Objekte an einem Teleskop nie farbig – können wir auch bei den Polarlichtern bloss helle und dunkle Strukturen ausmachen.

Schnitt durch die Erdatmosphäre. Wir sehen hier, in welcher Höhe die grünen und roten Polarlichter entstehen. (Infografik: Thomas Baer, Redaktion ORION)

Unterschiedliche Formen der Polarlichter

Polarlichter können je nach Stärke des Sonnenwindes ganz unterschiedliche Formen annehmen. Grob werden sie in vier Kategorien unterteilt; Korona, Vorhänge, ruhige Bögen und Bänder. Etwas feiner werden die Leuchterscheinungen in der Vallance-Jones Classification differenziert:

Die vier verschiedenen «Grundformen» der Polarlichter. (Bilder oben: Quelle: Wikipedia / Bilder unten: Fabian Mathis)

Abkürzungenglische Bezeichnungdeutsche Bezeichnung
HAHomogeneous ArcGleichmässiger Bogen
HBHomogeneous BandGleichmssiges Band
RARays ArcStrahlenförmiger Bogen
RBRays BandStrahlenförmiges Band
DSDiffuse SurfaceDiffuse Fläche
PSPulsating SurfacePulsierende Fläche
PAPulsating ArcPulsierende Bögen
CCoronaKorona (ringförmige Strahlen)
FFlamingIn den Zenit gerichtete, pulsierende Strahlen
Vallance-Jones Classification

Wo kann ich sehen, ob es eine erhöhte Polarlichtaktivität gibt?

Ein bisschen Glück braucht es, ein Polarlichtereignis wie im September 2023 zu erleben, da man nicht genau vorhersagen kann, ob, wann und in welcher Intensität die Aurora Borealis auftreten. Auf der «Space-weather-Website», welche von der National Oceanic and Atmospheric Administration NOAA betrieben wird (https://www.swpc.noaa.gov/), bekommen wir die entsprechenden Informationen. Wir sehen die Sonne in einem Livebild, aufgenommen durch den Satelliten GOES-16, der unter anderem die Instrumente EXIS (Extreme Ultraviolet and X-ray Irradiance Sensors) , SUVI (Solar Ultraviolet Imager), Space Environment In-Situ Suite (SEISS) sowie ein Magnetometer besitzt. Gleich daneben finden wir eine Live-Aufnahme des Sonnensatelliten SOHO, der die Vorgänge in der Sonnenkorona sichtbar macht, und ganz rechts haben wir die Polarlichtvorhersage, die für uns interessant ist. Abgebildet sind die Nordhemisphäre der Erde und von Grün über Gelb, Orange bis hin zu Rot die «Ungefähre Energiedeposition» von 0 (gering) bis >4 (hoch).

Wenn man den Clip startet, sieht man den Erdterminator (Tag-Nacht-Grenze) wandern. Um den Nordpol herum erkennen wir meist einen hellgrünen Ring, der die Zone mit der Wahrscheinlichkeit von Polarlichtern anzeigt. In der Spalte unter den drei Live-Bildern werden fortlaufend der Röntgenstrahlen- und der Protonenfluss sowie der geschätzte Planetarische K-Index anzeigt.  Dieser Wert basiert auf acht erdgebundenen Magnetometern weltweit und zeigt stets die letzten 3 Stunden. Es handelt sich um eine Abschätzung und ist keine Prognose; er bildet bloss die aktuellen Bedingungen ab. Der 3-Stunden-Planeten Kp-Index ist in zehn Stufen gegliedert und reicht von 0 (schwach) bis 9 (stark).

Wann wird es interessant?

Aufgrund der Sonnenrotation muss ein koronaler Massenauswurf die Erde nicht zwingend treffen. Entscheidend ist, wo das Ereignis auf der Sonne auftritt. Die Teilchenwolke wird, wie schon beschrieben, spiralförmig in den Weltraum geschleudert. Trifft sie die Erde mehr oder weniger direkt, so schlägt der Planetarische K-Index nach oben aus, und in der «Polarlicht-Prognose» färbt sich die Zone nach gelb, orange oder bestenfalls rot und sollte dabei über Europa weit nach Süden ausgreifen.
Interessant wird es bei Sonnenstürmen der Kategorie G4 oder G5 auf der fünfteiligen Skala. Das «G» steht für die geomagnetischen Effekte, die durch die Plasmawolke ausgelöst werden. Bei Ereignissen dieser Stärke ist mit heftigen geomagnetischen Effekten zu rechnen, die weit in südliche Gefilde zu sehen sind.
Angesichts der aktiven Sonne dürfte es sich in den kommenden Wochen und Monaten sicher lohnen, öfter einmal auf der Website «Space Weather» vorbeizuschauen.

Astronomische Ereignisse im Dezember 2023

Die schönsten Monatsereignisse im Überblick

SonneDie Sonne erreicht am 22. Dezember um 04:27 Uhr MEZ ihre südlichste Deklination; wir haben den astronomischen Winteranfang und damit den kürzesten Tag des Jahres erreicht. Das Tagesgestirn wandert vom Schlangenträger in den Schützen. Über den gesamten Monat betrachtet, sieht die Situation wie folgt aus: Die Sonnenaufgänge verspäten sich noch leicht um 22 Minuten von 07:52 Uhr MEZ (am 1. Dezember) auf 08:14 Uhr am Monatsletzten. Bei den Sonnenuntergängen tritt bereits eine geringe Verspätung von 7 Minuten von 16:37 Uhr MEZ (am 1. Dezember) auf 16:44 Uhr MEZ am 31. ein. Den frühesten Sonnenuntergang erleben wir bereits zehn Tage vor der Wintersonnenwende am 12. Dezember. Auch die Mittagshöhe (Kulminationshöhe) der Sonne verändert sich nicht mehr so stark. Am 1. steht die Sonne 20.7° hoch im Süden, am 22. Dezember dann 19.1° und steigt bis zum 31. wieder auf 19.4° an.
MondDer Mond startet abermals als abnehmender Dreiviertelmond in den ersten Wintermonat. Bis zum 5. Dezember nimmt der Mond auf die Hälfte ab (Letztes Viertel) und nach einer weiteren Woche verzeichnen wir am 13. Neumond. Für den Rest des Monats können wir den Trabanten wieder am Abendhimmel sehen. Am 19. erscheint er wieder halb beschienen (Erstes Viertel). Vollmond haben wir dann am 27., fast in nördlichster Lage. Am Abend des 22. lässt sich wieder einmal der «Goldene Henkel» am Mond beobachten.
MerkurDer sonnennächste Planet steht zwar am 4. Dezember mit 21° 16′ Winkelabstand in grösster östlicher Elongation von der Sonne, bleibt allerdings wegen seiner ungewöhnlich südlichen Position nur unter erschwerten Bedingungen beobachtbar. Noch bevor es richtig dunkel wird, wird der Planet von der Dämmerung «verschluckt». Am 22. steht er in unterer Konjunktion mit der Sonne und entfernt sich bis zum Jahresende westlich von ihr. Um den Jahreswechsel herum kann man ihn schliesslich gegen 07:15 Uhr MEZ erstmals in der hellen Morgendämmerung erspähen.
VenusVenus lässt das Altjahr als «Morgenstern» ausklingen. Sie stösst in immer südlichere Gefilde vor, und wandert von Jungfrau in die Waage. Am 9. Dezember kommt es zu einer hübschen Begegnung zwischen Venus und der abnehmenden Mondsichel. Während des gesamten Monats nimmt die Helligkeit von Venus weiter ab. Am Teleskop ist jetzt mehr und mehr eine Dreiviertelphase zu erkennen.
MarsDer Rote Planet stand im Vormonat in Konjunktion mit der Sonne und konnte daher nicht beobachtet werden. Nicht viel besser sieht es im Dezember aus: Der Planet vergrössert zwar seinen Abstand zum Tagesgestirn auf rund 13°, doch seine +1.4mag scheinbare Helligkeit reichen nicht, dass wir ihn in der Morgendämmerung sehen könnten. Somit bleibt er weiterhin unbeobachtbar.
JupiterJupiter gelangte Anfang November in Opposition zur Sonne und ist auch im Dezember noch immer das brillante Objekt am Nachthimmel. Auch wenn seine Helligkeit leicht auf –2.6mag zurückgeht, bleibt er der unangefochtene «Star» am Winterhimmel. Seine rückläufige Wanderschaft verlangsamt sich bis zum 31. Dezember, ehe er seine diesjährige Oppositionsperiode beendet und ab dem neuen Jahr wieder rechtläufig durch den Widder weiterzieht. Wir können Jupiter zu Beginn des Monats mit Einbruch der Dunkelheit bis in die Morgenstunden hinein verfolgen. Bis zum Jahresende hin verfrühen sich seine Untergänge auf 03:00 Uhr MEZ.
SaturnDer Ringplanet ist jetzt wieder rechtläufig im Wassermann unterwegs. Wir können ihn noch in den Abendstunden aufspüren, doch seine Untergänge verfrühen sich vom 23:00 Uhr MEZ (am 1. Dezember) auf 21:20 Uhr MEZ am Monatsletzten. Am 17. Dezember gegen Mitternacht zieht die zunehmende Mondsichel südlich am Ringplaneten vorüber. Schon abends können wir das «Mondhörnchen» südwestlich von Saturn sehen.
UranusTeleskopisch können wir Uranus derzeit in grosser Höhe am Himmel beobachten. Der Planet stand Mitte des Vormonats in Opposition zur Sonne.
NeptunNeptun verlangsamt seine rückläufige Bewegung und kommt am 7. Dezember zum Stillstand. Da es schon früh dunkel wird, kann man jetzt den Planeten gut mit einem Teleskop anpeilen. Er verlässt das Sternbild des Wassermanns in Richtung Fische und wird erst im Jahr 2183 in dieses Sternbild zurückkehren.
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