Beitrag: Thomas Baer, Redaktion ORION
Thema des Monats: Die Erde in Sonnennähe
Es mag für viele Zeitgenossinnen und Zeitgenossen etwas paradox klingen, wenn man ihnen erzählt, dass die Erde am 3. Januar der Sonne am nächsten steht. Sofort merkt man, dass es beim Gegenüber zu rätseln beginnt: «Wir haben doch Winter! – Und die Erde steht in Sonnennähe? Wie kann das denn sein?»
Nun; die Erde – Sonne-Entfernung hat nichts mit den Jahreszeiten zu tun. Hierfür ist einzig und allein die Schiefe der Erdachse um 23.5° verantwortlich. Im Nord-Winter ist der Nordpol von der Sonne weggerichtet, sprich in den nördlichen Polargebieten jenseits des Polarkreises (66½°) haben wir im Winterhalbjahr Polarnacht, während die Situation am Südpol genau umgekehrt ist; dort haben wir Polartag. Sommer und Winter sind auf der Nord- und Südhemisphäre genau um ein halbes Jahr verschoben.
Wie jeder Himmelskörper umkreist auch die Erde unsere Sonne auf einer leicht elliptischen Bahn. Im Unterschied zu anderen Planeten im Sonnensystem ist die Abweichung von der Kreisform allerdings so gering, dass man die Ellipse auf einem Blatt Papier originalgetreu nicht mehr von einem Kreis unterscheiden könnte. In Zahlen ausgedrückt: Am 3. Januar 2024 trennen uns von der Sonne noch 147.101 Mio. km, am 5. Juli sind es dann 152.100 Mio. km. Der Begriff Perihel stammt aus den beiden griechischen Wörtern peri = ringsum und helios = Sonne. In unserem Sprachgebrauch verwenden wir «peri» für «nah», etwa im Begriff «Peripherie» (am Rande befindlich). So ist der Fachbegriff «Perihel» als Sonnennähe einleuchtend. Tatsächlich erscheint uns die Sonne Anfang Januar stets 7 % grösser als Anfang Juli, wenn wir am weitesten vom Tagesgestirn entfernt sind. Und auch auf die Geschwindigkeit, mit der wir um die Sonne reisen, hat die Sonnennähe einen Einfluss. Gemäss dem zweiten Keplergesetz, das die Geschwindigkeit der Planeten auf ihren Bahnen beschreibt, sind wir am 3. Januar mit 30.29 km/s unterwegs, im Aphel (Sonnenferne) nur mit 29.29 km/s.
Warum nicht immer am selben Tag?
Eine Sonnenumrundung der Erde dauert 365.256363 Tage oder umgerechnet, 365 Tagen, 6 Stunden, 9 Minuten und 9,54 Sekunden. Wir könnten also denken, dass es sich hier um eine schön gleichmässige Bewegung handelt, und die Termine von Perihel und Aphel immer auf dasselbe Datum entfallen. Dem ist allerdings nicht so, wie ein Blick in die nachstehende Tabelle zeigt. Letztes Jahr stand die Erde der Sonne am 4. Januar am nächsten, 2025 wird es ebenfalls der 4. sein, während die Sonnenferne 2023 auf den 6. Juli entfiel, 2024 nun auf den 5. und nächstes Jahr auf den 3. Juli.
Datum | MEZ | Mio. km | Datum | MEZ | Mio. km |
2023 Januar 4. | 17h | 147.099 | 2023 Juli 6. | 21h | 152.093 |
2024 Januar 3. | 2h | 147.101 | 2024 Juli 5. | 6h | 152.100 |
2025 Januar 4. | 14h | 147.104 | 2025 Juli 3. | 21h | 152.088 |
2026 Januar 3. | 18h | 147.100 | 2026 Juli 6. | 18h | 152.088 |
2027 Januar 3. | 4h | 147.105 | 2027 Juli 5. | 6h | 152.100 |
2028 Januar 5. | 13h | 147.101 | 2028 Juli 3. | 23h | 152.093 |
2029 Januar 2. | 19h | 147.098 | 2029 Juli 6. | 6h | 152.098 |
2030 Januar 3. | 11h | 147.106 | 2030 Juli 4. | 14h | 152.100 |
Alle vier Jahre erleben wir einen «Datumhüpfer», weil wir bekanntlich, wie 2024, einen «Schalttag» zur Korrektur des Kalenders einfügen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass nach genau 365 Tagen kalendarisch zwar ein neues Jahr beginnt, die Erde allerdings noch rund sechs Stunden länger benötigt, um ihren vollen Sonnenumlauf zu beenden. Nach zwei Jahren hat die Erde somit bereits einen halben Tag Verspätung, im dritten Jahr einen Dreivierteltag.
Das Erdenjahr mit 365.25 Tagen entspricht dem julianischen Jahr. Nun ist es aber so, dass sich die räumliche Lage der Erdachse infolge der Präzession langsam, aber stetig ändert. Der Frühlingspunkt verschiebt sich jährlich um 50.2″ und läuft der Sonne entgegen, womit die Zeitspanne von einem zum nächsten Frühlingsanfang 11 min 15 s kürzer ist als das Julianische Jahr. In der Astronomie sprechen wir vom tropischen Jahr. Doch diese minime Zeitdifferenz hat keinen relevanten Einfluss auf das Datum des Perihels. Auch die Einflüsse der Planeten Jupiter, Saturn, Mars und Venus «verschieben» die Erde maximal um 31″ in heliozentrischer Länge, eine Strecke, die unser Planet in gut 14 Minuten zurücklegt.
Die Hauptschuld, dass der Periheltermin um einige Tage schwankt, trägt unser Mond. Wir müssen uns das Paar Erde – Mond wie ein «umeinandertanzendes Paar» vorstellen. Der gemeinsame Schwerpunkt, das Baryzentrum, liegt unter dem sublunaren Punkt (Mond im Zenit) knapp 1’700 km unter der Erdoberfläche. So kommt es, dass die Erde um ihre Keplerbahn pendelt, also einmal innerhalb, dann wieder ausserhalb liegt.
Letztlich hängt der Periheltermin auch von der Drehung der Apsidenlinie (Verbindungslinie Perihel – Aphel) ab. Diese wandert im Falle der Erde rechtläufig um 11.65″ pro Jahr. In 111’270 Jahren hat sie eine ganze Umdrehung vollzogen. Der Frühlingspunkt und das Perihel entfernen sich somit jährlich um knapp 62″. Alle 20’934 Jahre fallen der Frühlingspunkt und die Sonnennähe zusammen, und nach einer halben Periode fällt die Sonnenferne in den Nordwinter und die Sonnennähe in den Nordsommer.
Auswirkungen auf das Klima?
Der jugoslawische Bauingenieur und Mathematiker Milutin Milanković fand langperiodische Veränderungen, so auch die Änderung der Exzentrizität der Erdbahn. Derzeit pendeln wir um 5 Mio. km zwischen dem sonnennächsten und sonnenfernsten Bahnpunkt. Doch bei einer Abnahme der Bahnexzentrizität kann dieser Unterschied nur noch 3 Mio. km bei einer Zunahme bis zu 18 Mio. km betragen, ein Umstand, den wir auf der Erde spüren, wie ein Blick in die Erdklimageschichte verrät. Die grossen Kaltzeiten sind auf solche Veränderungen der Bahnparameter zurückzuführen. Wir sehen dies an der Solarkonstante, der extraterrestrischen Bestrahlungsstärke, die von der Sonne bei mittlerem Abstand Erde–Sonne ohne den Einfluss der Atmosphäre senkrecht zur Strahlrichtung auf die Erde auftrifft. Sie beträgt gemäss Definition (aus dem Jahr 2015) 1’361 W/m2. Die Solarkonstante variiert je nach Distanz der Erde zur Sonne zwischen 1’325 W/m2 (Anfang Juli) und 1’420 W/m2 (Anfang Januar). Der Wert oszilliert um den Mittelwert um etwas mehr als 3 %. Stellen wir uns eine stärkere Erdbahnellipse vor, so würde die Gesamtstrahlung auf der Erde extremer variieren und das Weltklima entscheidend beeinflussen.
Über Jahrtausende verändern sich gewisse Parameter. So etwa variiert nicht nur die Ellipsenform der Erdbahn, sondern auch die Schiefe und die räumliche Lage der Erdachse (Präzession) können sich auf das Erdklima auswirken. (Infografik: Thomas Baer)
Ist der Südsommer intensiver als der Nordsommer?
Die derzeitige Lage des Perihels bestimmt auch die Längen der Jahreszeiten. Derzeit dauert der Winter auf der Nordhemisphäre mit 90.13 Tagen rund vier Tage weniger lang als der Sommer (93.96 Tage). 1246 fiel das Perihel genau mit der Wintersonnenwende zusammen. Somit waren Herbst und Winter sowie Frühling und Sommer gleich lang. Seither ist der «Nordwinter» («Südsommer») die kürzeste Jahreszeit und wird ein Minimum von 88.71 Tagen um das Jahr 3500 herum erreichen.
Wenn also die Gesamtstrahlung der Sonne mit dem Entfernungsunterschied geringfügig variiert, stellt sich die Frage, ob der Südsommer intensiver ausfällt als der Nordsommer. Immerhin erreichen 7.2 % mehr Gesamtstrahlung die Erde. Wäre die Erde eine homogene atmosphärenlose Kugel, so würde man tatsächlich feststellen können, dass der Südsommer «wärmer» wäre als der Nordsommer. Doch entscheidend sind die Verteilung der Land- und Wassermassen. Wenn wir den nördlichen und südlichen Wendekreis betrachten, wo die Sonne am 21. Juni, respektive am 22. Dezember senkrecht zu stehen kommt, fällt unschwer auf, dass der südliche Wendekreis viel mehr über Ozeane verläuft, während sich die grossen Landmassen auf der nördlichen Hemisphäre befinden. Während sich die Landmassen viel rascher aufheizen, speichern die Ozeane die Wärme. So haben sie im jeweiligen Sommerhalbjahr eine kühlende, im entsprechenden Winterhalbjahr eine wärmende Wirkung, wie wir es in Europa derzeit mit dem milden Atlantikwetter spüren. Wäre die Erdbahnexzentrizität viel grösser, würden wir den Sommer-Winter-Effekt wesentlich deutlicher spüren.
147.1 Millionen km trennen uns am 3. Januar 2024 von der Sonne. (Bild: Thomas Baer)
Astronomische Ereignisse im Januar 2024
Die schönsten Monatsereignisse im Überblick
Sonne | Am Neujahrstag erleben wir den spätesten Sonnenaufgang des Jahres, elf Tage nach dem Astronomischen Winteranfang. Das Tagesgestirn wandert aus dem Schützen in den Steinbock. Über den gesamten Monat betrachtet, sieht die Situation wie folgt aus: Die Sonnenaufgänge “verfrühen” sich um 20 Minuten von 08:14 Uhr MEZ (am 1. Januar) auf 07:54 Uhr am Monatsletzten. Bei den Sonnenuntergängen ist die Verspätung mit 40 Minuten schon wesentlich deutlicher von 16:45 Uhr MEZ (am 1. Januar) auf 17:25 Uhr MEZ am 31. Auch die Mittagshöhe (Kulminationshöhe) der Sonne ändert sich nun merklich. Am 1. steht die Sonne 19.5° hoch im Süden, am 31. Januar wieder auf 25.1°. |
Mond | Der Mond begrüsst das neue Jahr als abnehmender Dreiviertelmond. Bis zum 4. Januar nimmt der Mond auf die Hälfte ab (Letztes Viertel) und nach einer weiteren Woche verzeichnen wir am 11. Neumond. Ab dann können wir den Trabanten wieder am Abendhimmel sehen. Am 18. erscheint er wieder halb beschienen (Erstes Viertel). Vollmond haben wir dann am 25., fast in nördlichster Lage. Am Abend des 21. lässt sich wie schon im Dezember der «Goldene Henkel» am Mond beobachten. |
Merkur | Merkur bietet gleich zu Jahresbeginn bei guten Sichtbedingungen eine recht passable Morgensichtbarkeit. Am 12. Januar erreicht er mit 23° 30′ seine grösste westliche Elongation. Gegen 07:30 Uhr MEZ können wir den flinken Planeten um diesen Termin tief im Südosten erspähen. Schon am 2. beginnt Merkur wieder auf die Sonne zuzusteuern. Da er sich gleichsam durch die südlichsten Bereiche der Ekliptik bewegt, erreicht er dieses Mal keine grosse Höhe über dem Horizont. |
Venus | Als «Morgenstern» startet Venus ins 2024. Sie eilt der Sonne nach und verkürzt dabei ihren westlichen Winkelabstand ganz allmählich und damit auch ihre Sichtbarkeit um rund anderthalb Stunden. Ihre grössten «Glanzzeiten» sind jetzt vorüber. Sie wandert rechtläufig durch den Skorpion und den Schlangenträger in den Schützen und zieht dabei am 8. Januar 6° nördlich an Antares vorüber. |
Mars | Der Rote Planet stand zwar schon im November letzten Jahres in Konjunktion mit der Sonne, befreit sich allerdings nur ganz allmählich aus den hellen Bereichen der Sonne, womit wir ihn auch während des gesamten Januars nicht beobachten können. |
Jupiter | Jupiter ist nach Venus derzeit der auffälligste Planet, den wir beobachten können. Auch wenn er seit seiner Opposition schon ein Stück seiner damaligen Helligkeit eingebüsst hat, ist und bleibt er das auffälligste Gestirn am Nachthimmel. Mit Einbruch der Dunkelheit können wir ihn zu Monatsbeginn schon im Südsüdosten, später dann bereits in südlicher Richtung erspähen. Er bewegt sich jetzt wieder rechtläufig durch den Widder südlich des Sterns Hamal. |
Saturn | Für den Ringplaneten wird es langsam knapp; die Sonne holt ihn langsam ein. In der ersten Monatshälfte können wir Saturn noch am Abendhimmel ausfindig machen, doch sein «Beobachtungsfenster» wird immer enger. Zum Monatsende hin wird es zunehmend schwieriger, den Planeten anzupeilen. |
Uranus | Teleskopisch können wir Uranus derzeit in grosser Höhe am Himmel beobachten. Der Planet stand Mitte Mitte November 2023 in Opposition zur Sonne. |
Neptun | Neptun verkürzt wie Saturn seine abendliche Sichtbarkeit drastisch. In der Abenddämmerung wird es so oder so aussichtslos, teleskopisch nach dem lichtschwachen, bläulichen Planeten zu suchen; dafür müsste der Himmel dunkel genug sein. |
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