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Der Sternenhimmel im Juli 2023

Beitrag: Thomas Baer, Redaktion ORION

Thema des Monats: Aktive Sonne – wir nähern uns langsam dem Aktivitätsmaximum

Auf der Sonne ist derzeit einiges los. Es gibt mit entsprechender Ausrüstung viele Sonnenflecken zu beobachten, aber auch auf der Oberfläche brodelt es. Immer wieder kommt es zu heftigen Ausbrüchen, die wir in Form von Flares oder spektakulären Protuberanzen (am Sonnenrand) sehen können. Der 25. Aktivitätszyklus ist etwas stärker als sein Vorgänger, und das Maximum steht uns erst noch bevor.

Für viele Laien ist unser Tagesgestirn primär eines; ein Licht- und Wärmespender. Längst sollte allen klar sein, dass wir uns gerade jetzt im Hochsommer und bei hohem Sonnenstand nicht stundenlang in die pralle Sonne legen und uns der gefährlichen UV-Strahlung aussetzen sollten, selbst wenn wir uns mit Sonnenschutzfaktoren 50+ eincremen. Die Sonne sendet nicht nur das für uns sichtbare Licht aus, sondern eine ganze Bandbreite an Strahlung, die jenseits des Wahrnehmungsbereichs unserer Augen liegt, von der hochenergetischen Höhenstrahlung, über die Gamma- und Röntgenstrahlung zu UV und im langwelligen Bereich über Infrarot (Wärmestrahlung), Mirkrowelle bis zur Langwelle und Wechselströmen. Dank der Erdatmosphäre und des Erdmagnetfelds (solange intakt – lesen Sie hierzu den Monatsbeitrag in der Juni-Vorschau) werden diese für Fauna und Flora schädlichen Strahlungen zumindest teilweise abgeschwächt. So etwa absorbiert das stratosphärische Ozon die UV-Strahlung, und das Plasma sowie Gamma- und Röntgenstrahlung, die als Folge des Sonnenwindes zu uns gelangen, werden durch das Erdmagnetfeld abgeschirmt.

Die meisten Menschen haben unsere Sonne jedoch noch kaum je durch ein Teleskop beobachtet, was weiter nicht erstaunt, wird doch stets und zurecht vor der Gefährlichkeit der Sonnenbeobachtung gewarnt! Es stimmt: Man darf niemals ohne einen professionellen Sonnenschutz (spezielle Sonnenfilter) mit einem Fernglas oder Teleskop direkt in die Sonne schauen! Die Folgen wären fatal. Ein Teleskop ist bekanntlich ein Lichtverstärker, der das einfallende Licht durch ein optisches System (Spiegel oder Linsen) bündelt und in unsere Augen fallen lässt. Ohne ein Sonnenschutzfilter wirkt ein Teleskop oder ein Feldstecher wie ein Brennglas und würde innert Sekundenbruchteilen unsere Augen irreparabel schädigen!

Professionelle Sonnenfilter

Heute verfügen die allermeisten Sternwarten über professionell ausgerüstete Sonnenteleskope, durch die man bedenkenlos unser Tagesgestirn beobachten kann. Was wir dabei zu sehen bekommen, ist faszinierend. Durch ein sogenanntes Weisslichtfilter – vereinfacht gesagt, setzt man dem Teleskop eine ultrastarke «Sonnenbrille» auf (entweder ein Glasfilter, ein Mylar- oder Black Polymer-Filter) – kann man die Sonnenoberfläche, die knapp 6’000 °C heisse Photosphäre, jetzt sehen. Von ihr aus macht sich das Licht auf seine Reise.

Sonnenfilter von Thousand Oaks
Glasfilter
Sonnenbild erscheint gelblich-orange
Baader Sonnenfilter (AstroSolar Sonnenfilter)
Folienfilter
Sonnenbild erscheint weiss

Diese erscheint bei genauem Hinsehen nicht einfach glatt, sondern zeigt eine körnige Struktur, Granulation genannt. Am besten Stellen wir uns die Sonnenoberfläche wie einen «siedenden Wassertopf» vor; das «sprudelnde Wasser» sind auf der Sonne heisse Plasmablasen (Granulen), die an die «Oberfläche» treten und Ausdehnungen von 500 bis 2’000 km im Durchmesser haben. Sie existieren nur für wenige Minuten.

Bei sehr starker Vergrösserung sehen wir hier detailreich die Struktur der Photosphäre um eine Sonnenfleckengruppe. Die einzelnen Zellen, die Granulen, haben eine Lebensdauer von wenigen Minuten. (Bild: NASA)

Turbulente Chromosphäre

Über der Photosphäre erstreckt sich mit einer Mächtigkeit von bis zu 2’500 km eine weitere Schicht aus dünnem Gas, die Chromosphäre, was auf griechisch soviel wie «Farbhülle» bedeutet. Sie reicht damit bis in die unteren Bereiche der unsichtbaren Sonnenkorona. Ohne optische Hilfsmittel kann man diese dünne Schicht nur während einer totalen Sonnenfinsternis für wenige Sekunden als roten Lichtsaum sehen, wenn das gleissend helle Licht der Photosphäre durch den Neumond gänzlich abgeschirmt wird. Sonst ist die Chromosphäre völlig überstrahlt. Ihre Gasdichte nimmt mit zunehmender Höhe von 10−11 auf 10−15 g/cm³ ab. Auch die Temperatur sinkt von 5’800 K auf unter 4’000 K, um im Bereich der oberen Chromosphäre rasch wieder auf 10’000 K anzusteigen. Innerhalb einiger tausend Kilometer geht die Chromosphäre schliesslich in die Korona über, in der die Temperatur aufgrund bislang noch immer nicht verstandener Mechanismen auf 1 bis 2 Millionen K ansteigt (lesen Sie dazu den Beitrag in ORION 3/23 zum Astrophysikalischen Observatorium Tschuggen in Arosa). Aufgrund ihrer geringen Dichte trägt die Chromosphäre bloss einen unbedeutenden Anteil zur Gesamtstrahlung der Sonne bei.


Aufbau der Sonne. Mit Sonnenfiltern lassen sich nur die äussersten Bereiche beobachten, die Photosphäre sowie die Chromosphäre. (Quelle: ESA)

Im Licht des «angeregten Wasserstoffs»

Filtert man aus dem sichtbaren Spektrum den grössten Teil heraus, so dass wir nur noch den roten Anteil sehen, finden wir bei einer Wellenlänge von 656.28 nm oder 6’562.8 Å eine helle Emissionslinie, die H-Alpha-Linie des angeregten Wasserstoffs. Für die Sonnenbeobachtung ist dieser Bereich von besonderem Interesse, weil in diesem Wellenlängenbereich die Strukturen der Chromosphäre selbst, aber auch Protuberanzen, Filamente (dunkle Gaswolken), Flares (Lichtausbrüche) und Fackelfelder (besonders heisse Gebiete) sichtbar gemacht werden können. Weiter ist nicht erstaunlich, warum uns das H-Alpha-Bild beim Blick durchs Sonnenteleskop rot erscheint, liegt es doch eben im roten Teil des Spektrums.

Sichtbarer Bereich des Wasserstoff-Spektrums mit den Linien Hα (rechts) bis Hζ (links). Die zwei Linien links sind mit dem Auge nicht mehr sichtbar, sondern wurden mit UV-empfindlichen Sensoren aufgenommen. (Quelle: Wikipedia)

Ein H-Alpha-Sonnenteleskop lässt die Chromosphäre der Sonne sichtbar werden. Im Licht des angeregten Wasserstoffs lassen sich derzeit am Sonnenrand fast täglich schöne Protuberanzen beobachten. (Quelle: Teleskopservice)

Der 25. Sonnenfleckenzyklus

Unsere Sonne ist eine für unsere Begriffe riesige Plasmakugel, obwohl sie als Stern zu den Winzlingen gehört. Wir könnten die Erde gut und gerne 110 Mal aneinanderreihen und bekämen so den Sonnendurchmesser von rund 1.4 Millionen km. Auch wenn sich die Sonne auf ihre gesamte Lebensdauer betrachtet, in einer ruhigen Phase des Wasserstoffbrennens befindet, pulsiert sie dennoch und unterliegt verschiedener Aktivitätszyklen. Der bekannteste Zyklus, den wir seit Beginn der ersten Aufzeichnungen im frühen 17. Jahrhundert beobachten, ist eine 9 – 14-jährige Periode (im Schnitt 11.1 Jahre), in der sich das Magnetfeld der Sonne regelmässig umpolt. Schon mit den allerersten Sonnenbeobachtungen stellten die Astronomen fest, dass sich zyklisch einmal mehr, dann wieder weniger Sonnenflecken auf der Sonnenscheibe zeigten. Dieses Auf und Ab wurde schliesslich im 19. Jahrhundert erstmals anhand einer Formel berechnet: Urheber der Sonnenflecken-Relativzahl [R] war der Zürcher Astronom und Physiker Rudolf Wolf (1816 bis 1893). Noch heute wird die Anzahl der Sonnenflecken nach dieser Beobachtungsformel ermittelt; es ist eine der längsten Beobachtungsreihen überhaupt und wird regelmässig auch im ORION publiziert! Seit 2019/20 – damals hatten wir das Aktivitätsminimum – befinden wir uns im 25. Sonnenzyklus. Viele Anzeichen deuteten darauf hin, dass nach dem eher schwachen 24. Zyklus auch der aktuelle deutlich schwächer ausfallen könnte als die starken Zyklen des «Modernen Maximums».

Verglichen mit den Sonnenflecken-Maxima der frühen 1980er-, 1990er- und 2000er-Jahre war der 24. Aktivitätszyklus bedeutend schwächer ausgeprägt, und auch der 25. wird nicht viel stärker ausfallen.

Detailansicht der aktuellen Sonnenaktivität im Vergleich zu den Prognosen.

Dass der 25. Aktivitätszyklus einer der stärksten überhaupt werden könnte, wie in einigen Medien zu lesen war, ist äusserst unwahrscheinlich. Zwar erfolgte der Anstieg der Sonnenflecken schneller als erwartet, und noch immer befinden wir uns auf dem aufsteigenden Ast. Doch wie man aus den Diagrammen oben sieht, liegt die Entwicklung recht gut eingebettet in den Modellkurven. Im Frühjahr oder Sommer des kommenden Jahres wird das Maximum erwartet; danach geht die Aktivität langsam wieder zurück. Selbstverständlich sind Überraschungen immer möglich.

Die Sonne unterliegt noch weiteren Zyklen, etwa dem 22-jährigen Hale-Zyklus. Dieser ist im Prinzip nichts anderes als der doppelte 11-Jahres-Zyklus. Nach 22 Jahren ist die Polarität der Sonne wieder gleich. Aus der Klimageschichte heraus vermutet man noch wesentlich längere Perioden: Der Geissberg-Zyklus mit einer Periode von 80 bis 90 Jahren könnte auch das ungewöhnlich lange und tiefe Sonnenflecken-Minimum von 2008 erklären. Der Suess– oder de Vries-Zyklus (180 – 210 Jahre) wurde aufgrund von Schwankungen des 14C/12C-Verhältnisses entdeckt. So wurde beobachtet, wie grosse Minima – man spricht auch von Grand Minima – in der Geschichte mehrmals gehäuft auftraten. Gut möglich, dass auch das «Maunder-Minimum» auf diesen Zyklus zurückzuführen ist.
Mittlerweile vermutet man auch einen 1470-Jahres-Zyklus (das 7-fache des Suess– und das 17-fache des Geissberg-Zyklus) sowie eine 2’400 Jahre lange Periode (Hallstatt– oder Bray-Zyklus).

Wo kann man die Sonne beobachten?

Im Sommerhalbjahr bieten diverse Sternwarten in der Schweiz Sonnenbeobachtungen an. Wer einmal einen Blick auf unser Zentralgestirn werfen will, hat folgende Möglichkeiten:

Sternwarte Schafmatt AarauSonntag, 16. Juli 2023 ab 11:30 Uhr MESZ
Sonntag, 20. August 2023 ab 11:30 Uhr MESZ

Die Sonne steigert ihre Aktivität ungebremst. Im Weisslicht betrachtet sind ausgedehnte Fleckengruppen zu entdecken. Mithilfe eines sog. H-Alpha-Filters lassen sich zudem dynamische Protuberanzen erkennen: Wasserstoffwolken, die sich von der Sonne ablösen, den Magnetfeldlinien folgen und entweder wieder auf die Oberfläche zurückfallen oder in die Weiten des Weltalls geschleudert werden.
Dieser Anlass findet nur bei gutem Wetter statt. Die Telefon-Nr. 062 298 05 47 erteilt am Tag des Anlasses ab 10:00 Uhr Auskunft über die Durchführung.

https://www.sternwarte-schafmatt.ch/
Schul- und Volkssternwarte BülachMai bis August, jeden Freitag ab 20:00 Uhr MESZ im Vorfeld des öffentlichen Beobachtungsabends.

An verschiedenen Sonnenteleskopen auf dem Vorplatz der Sternwarte lassen sich die Phänomene auf unserer Sonne beobachten.
https://sternwartebuelach.ch/
Sternwarte Planetarium SIRIUSSonntag, 16. Juli 2023, 12:00 – 16:30 Uhr MESZ
https://sternwarte-planetarium.ch/
Sternwarte Hubelmatt LuzernMai bis August, jeden Dienstag ab 20:00 Uhr MESZ im Rahmen des öffentlichen Beobachtungsabends.

Mit Hilfe diverser Teleskope kann die Sonne im Weisslicht, im H-Alpha, wie auch als Spektrum beobachtet werden.
https://sternwarteluzern.ch/
Astrophysikalisches
Observatorium Tschuggen, Arosa
Ein Führungskonzept wird zurzeit erarbeitet und bald hier veröffentlicht! 
https://aot-arosa.ch/

Astronomische Ereignisse im Juli 2023

Die schönsten Monatsereignisse im Überblick

SonneDer längste Tag ist bereits vorüber, doch weil sich die Sonne am Umkehrpunkt ihrer scheinbaren Jahresbahn befindet, merken wir bis Mitte Juli von den langsam wieder früher einsetzenden Sonnenuntergängen kaum etwas. Über den gesamten Monat betrachtet, sieht die Situation wie folgt aus: Die Sonnenaufgänge verspäten sich rund eine halbe Stunde von 05:33 Uhr MESZ (am 1. Juli) auf 06:02 Uhr am Monatsletzten. Bei den Sonnenuntergängen ist die Verfrühung mit 25 Minuten von 21:27 Uhr MESZ (am 1. Juli) auf 21:02 Uhr MESZ am 31. noch etwas geringer. Mittags nimmt die Kulminationshöhe des Tagesgestirns von 65.5° auf 60.8° ab. Die Sonne wandert von den Zwillingen in den Krebs. Am 6. Juli steht die Erde in Sonnenferne.
MondWie schon im Juni startet der Mond startet fast voll in den zweiten Sommermonat. Am 3. Juli haben wir Vollmond im Sternbild des Schützen und erleben die tiefste Vollmondkulmination des Jahres. Danach nimmt der Mond bis zum 10. wieder auf die Hälfte ab (Letztes Viertel) und nach einer weiteren Woche verzeichnen wir am 17. Neumond. Für den Rest des Monats können wir den Mond wieder am Abendhimmel sehen. Am 26. erscheint er wieder halb beschienen (Erstes Viertel).
MerkurNach einer eher bescheidenen Morgensichtbarkeit können wir Merkur nach dem ersten Julidrittel nach Sonnenuntergang über dem westlichen und später dem westnordwestlichen Horizont aufspüren. Da er allerdings keine grosse Höhen über dem Horizont erreichen wird, leistet ein Fernglas bei der Suche nach dem sonnennächsten Planeten gute Dienste. Von blossem Auge dürfte man ihn in den hellen Dämmerungsbereichen nur mit Glück und vor allem bei sehr klarer Sicht entdecken können.
VenusVenus kann noch eine Weile als «Abendstern» gesehen werden. Am 7. Juli strahlt sie im «Grössten Glanz» und erscheint uns am Fernrohr als Lichtsichel. Trotzt ihrer scheinbaren Helligkeit vermag sie sich nicht mehr so gut gegen die Abenddämmerung durchzusetzen, da sie immer tiefer in den Horizontdunst absinkt. Auch die Konjunktion mit Merkur am 26. Juli dürfte eher schwierig zu beobachten sein, da die Sonne gegen 21:30 Uhr MESZ, wenn die beiden Planeten noch sichtbar wären, erst knapp 5° unter dem Horizont steht. Venus steht kurz vor ihrem Wechsel an den Morgenhimmel.
MarsTheoretisch wäre Mars noch etwas länger beobachtbar, doch mit seiner bescheidenen Helligkeit von +1.7mag (um den 1. Juli) muss der Himmel schon recht dunkel sein, damit man ihn überhaupt entdecken kann. Vor 22:00 Uhr MESZ dürfte man ihn von blossem Auge kaum ausmachen, mit einem Fernglas, sicher aber teleskopisch, wird man ihn sehen. Doch mehr als ein 4″ kleines Scheibchen wird man nicht zu Gesicht bekommen. Im Laufe des Monats zieht sich der Rote Planet vom Abendhimmel zurück.
JupiterDer grösste Planet des Sonnensystems setzt sich nun immer besser durch und erscheint stets früher. Zu Monatsbeginn wird er ab 02:13 Uhr MESZ im Osten sichtbar, zum Monatsende hin erscheint er bereits kurz nach Mitternacht und begleitet uns bis zum Morgengrauen durch die zweite Nachthälfte.
SaturnSchon wesentlich früher wird Saturn im Südosten sichtbar. Am 1. Juli können wir ab Mitternacht im Wassermann entdecken, am 31. erscheint er bereits kurz nach 22:00 Uhr MESZ am Nachthimmel. Seine scheinbare Helligkeit von +0.6mag ist vor allem gegenüber Jupiter bescheiden. Nichtsdestotrotz sieht man den Planeten gut von blossem Auge, zumal das Sternbild Steinbock keine so hellen Sterne beherbergt.
UranusTeleskopisch können wir Uranus in der zweiten Nachthälfte aufspüren. Er verlagert seine Position im Sternbild des Widder kaum.
NeptunAuch den lichtschwachen Neptun können wir im Juli 2023 gegen 01:00 Uhr MESZ (am 1.) und kurz vor 23:00 Uhr (am 31.) teleskopisch sehen.
Den täglichen Astrokalender mit viel mehr Informationen gibt es in der Rubrik «Heute am Himmel»

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