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Der Sternenhimmel im Juni 2023

Beitrag: Thomas Baer, Redaktion ORION

Thema des Monats: Was passiert eigentlich, wenn es zu einer Polumkehrung kommt?

Gelegentlich hört und liest man in gewissen Medien von einer baldigen Umkehrung des Erdmagnetfelds, verbunden mit zum Teil abenteuerlichen Beschreibungen über deren Auswirkungen. Sind die skizzierten «Horrorszenarien» überrissen oder real? Wir wollen dieses Phänomen einmal genauer behandeln, um zu verstehen, welche Folgen eine Polumkehr und eine damit einhergehende Abschwächung des Erdmagnetfelds auf unseren Alltag hätte. Vorweg aber eine Entwarnung: Ein Polsprung geschieht nicht von heute auf morgen, sondern dauert in der Regel mehrere tausend Jahre!

Das Erdmagnetfeld, das unseren Planeten durchdringt und umgibt, schützt uns vor hochenergetischen Plasmateilchen. Sie können somit gar nicht erst in die Erdatmosphäre eindringen, sondern werden um die Erde herum abgelenkt. Im Unterschied zu Gravitationsfeldern können wir Magnetfelder mit keinem Organ wahrnehmen. Zwar spüren wir, wie sich Magnete anziehen oder abstossen können, oder wir sehen, wie sich eine Kompassnadel stets nach dem magnetischen Nordpol der Erde ausrichtet. Aus dem Physikunterricht sind uns noch Versuche mit Eisenfeilspänen in Erinnerung, welche die Feldlinien um einen Stabmagneten geheimnisvoll «sichtbar» werden lassen.

Die Kräfte, welche Magnete aufeinander ausüben, sind ‘dreidimensionale’ Wirkungen magnetischer Felder auf elektrische Ströme. Auf einen Draht etwa, der sich in einem Magnetfeld befindet und durch den ein elektrischer Strom fliesst, wirkt eine Kraft, die ihn senkrecht zu den Feldlinien ablenken lässt (Induktion genannt).

Magnetfeldlinien eines Stabmagneten, sichtbar gemacht durch Eisenspäne. (Bild: NASA)

Wie entsteht das Erdmagnetfeld?

Das Magnetfeld der Erde entsteht dadurch, dass Materie – im Wesentlichen flüssige Metalle – im Erdinnern unter dem Einfluss physikalischer Kräfte schraubenförmige Bewegungen ausführt. Unter bestimmten Bedingungen entsteht dabei ein sich selbst erhaltendes Magnetfeld, ein so genannter Geodynamo. Mit einem aufwendigen Experiment konnte im Forschungszentrum Karlsruhe vor Jahren gezeigt werden, dass der Geodynamo wirklich funktioniert: In einer Versuchsanordnung mit flüssigem Natrium, in der die Materieströme im Erdinnern simuliert wurden, baute sich tatsächlich ein dauerhaftes Magnetfeld auf.
Doch das Magnetfeld der Erde ist nicht stabil. Es ändert seine Lage und Ausrichtung ständig. In der Erdgeschichte hat es sich schon mehrmals umgepolt; der magnetische Nord- und Südpol tauschten ihre Positionen.


Aufgrund von Temperaturschwankungen mit der Tiefe, der Erdrotation und der Corioliskräfte fliesst das flüssige Eisen, das den äusseren Kern bildet, mit starken Konvektionsströmen, die in wirbelnden Säulen parallel zur Erdrotationsachse strukturiert sind. Es ist diese starke konvektive Bewegung, die einen Dynamo-Effekt erzeugt, der das Magnetfeld entstehen lässt.

Wo liegt der magnetische Nordpol derzeit?

Der magnetische Nordpol ist seit jeher in Bewegung. Zwischen 1590 und 1730 bewegte er sich nördlich der Vicoriainsel (Nordkanada), wanderte dann bis 1859 südostwärts in den Bereich des nördlichen Polarkreises und driftet seit Beginn des 20. Jahrhunderts in immer schnellerem Tempo nordwärts, rund 1’100 km, mit bis zu 65 km jährlich. 2019 kamen sich der geografische und der magnetische Nordpol am nächsten. Wohin er sich in den kommenden Jahren verschiebt, ist ungewiss. Zum Vergleich: Bis vor etwa zwanzig Jahren betrug die Geschwindigkeit dieser Wanderung im Durchschnitt bloss etwa zehn Kilometer pro Jahr. Viele Wissenschaftler fragten sich, ob dies der Beginn einer weiteren Umpolung des Magnetfeldes sein könnte.
In den vergangenen 40 Millionen Jahren gab es nicht weniger als 70 solche Umpolungen. Letztmals fand eine vollständige Polumkehr vor 42’000 Jahren statt.

In den vergangenen hundert Jahren war die Wanderung des magnetischen Nordpols ausgesprochen schnell. (Quelle: https://worldoceanreview.com/)

Ein schwaches Erdmagnetfeld und seine Folgen

Die Magnetfeldstärke hat in den vergangenen 150 Jahren um etwa 10 % abgenommen. Verliefe diese Abnahme mehr oder weniger kontinuierlich so weiter, so wären wir in gut 1’500 Jahren auf einem vergleichbaren Wert wie vor 42’000 Jahren, als der magnetische Nordpol innerhalb eines halben Jahrtausends nach Süden wanderte und sich das Magnetfeld praktisch auf null abschwächte. Während weiterer 500 Jahre blieben die magnetischen Pole vertauscht und die Magnetfeldstärke verharrte unter einem Drittel des heutigen Werts, wie man u. a. anhand von grönländischen Eisbohrkernen, aber auch dank der Radiokarbon-Methode (C14) feststellen konnte (Kauri-Baum, Neuseeland).

Das Verschwinden des magnetischen Schutzschilds um die Erde zog globale Folgen und Veränderungen nach sich. So konnte man eine erhöhte kosmische Strahlung in Form erhöhter Anteile des radioaktiven Kohlenstoff-Isotops 14C in den Bäumen nachweisen. Dieses Isotop wird durch hochenergetische, elektrisch geladene kosmische Partikel verstärkt gebildet. Wissenschaftler haben zudem einen Rückgang des atmosphärischen Ozons (in der Stratosphäre) registriert. Die stark ionisierte Luft, die sich u. a. durch ein globales Auftreten von Polarlichtern bemerkbar machte, zerstörte die Ozonschicht.

Lange war unklar, welche Folgen eine solche Umpolung – oft wir auch von einem Polsprung gesprochen – auf die Fauna und Flora haben kann. Es konnte nämlich bis vor wenigen Jahren kein Massensterben irgendwelcher Arten nachgewiesen werden, dies trotz des Umstands, dass ein geschwächtes Erdmagnetfeld während einer Feldumkehr schädliche, ja tödliche Strahlung, ungehindert bis zur Erdoberfläche durchdringen lässt! Die Studie, welche sich mit dem Ereignis vor 42’000 Jahren beschäftigt und in «Science» veröffentlicht wurde, zeigt nun aber, dass das schwache Erdmagnetfeld in der Tat globale Auswirkungen hatte, auch auf das Klima. Die UV-Strahlung war extrem (fehlende Ozonschicht) und sorgte für gravierende Umweltveränderungen. Viele Pflanzen- und Tierarten starben aus, und auch das noch immer umstrittene Aussterben der Neandertaler vor rund 40’000 Jahren könnte u. a. auf die Folgen der Polumkehr zurückgeführt werden. Zumindest zeitlich würden die Ereignisse zusammenpassen.

Ein solches Ereignis heute wäre fatal

Ähnlich wie ein Sonnensturm auf unsere hochempfindliche elektronische Infrastruktur fatale Folgen hätte, wären auch die Auswirkungen einer Polumkehr enorm (ORION berichtete darüber in der Rubrik «Nachgedacht – nachgefragt»). Wir kennen ja bereits die Auswirkungen starker Sonnenstürme bei einem (noch) intakten Erdmagnetfeld. Wenn dieses aber schwächelt, würde eintreffende kosmische Strahlung unsere elektrischen Stromnetze und Satellitennetze erheblich beeinträchtigen oder gar zerstören. So wenig wir voraussagen können, wann uns ein nächster Sonnensturm mit voller Wucht trifft, so wenig können wir vorhersehen, wie die magentischen Pole in den nächsten Jahrzehnten und Jahrhunderten wandern. Wir können bloss beobachten und bemerken, wie oben beschrieben, dass die derzeitige schnelle Bewegung des magnetischen Nordpols über die nördliche Hemisphäre ein Indiz für eine «drohende» Polumkehrung sein könnte.

Was führt zu Polsprüngen?

Heute weiss man, dass die Stärke des Erdmagnetfelds schwankt. Schon vor 500 Jahren konnten Wissenschaftler eine Abschwächung des Magnetfelds feststellen; ein Polsprung blieb jedoch aus. Die aktuell registrierte Abnahme seit 150 Jahren ist weniger stark als damals, doch die Forscher können dennoch wertvolle Rückschlüsse ziehen. Sie untersuchen solche Schwankungen und erhoffen sich aus den Resultaten den Ursachen von Polsprüngen auf die Schliche zu kommen, denn bis jetzt hatte man noch keine schlüssigen Erklärungen. Die Ursache, so sind sich die Fachleute sicher, muss tief im Erdinnern, rund 3’000 km unter der Erdoberfläche an der Grenze zwischen dem unteren Erdmantel und dem Erdkern liegen, und zwar in einer Region unter dem südlichen Afrika.

Dort haben Wissenschaftler nämlich eine sogenannte Large Low Shear Velocity Provinces (LLSVP) ausgemacht (Gebiete niederer Scherwellengeschwindigkeit). Es handelt sich um eine Region, in der der äussere Erdkern von ungewöhnlich heissem und dichten Mantelgestein umgeben wird, der die Bewegungen des flüssigen Eisens beeinflusst und damit auch das Magnetfeld. Es wird vermutet, dass Verwirbelungen in dieser Tiefe Polsprünge auslösen könnten. Ein zweites LLSVP liegt übrigens an der Erd-Mantel-Grenze unter dem Pazifischen Ozean (siehe Karte unten).

Dunkelbraun eingefärbt sind die Gebiete mit niederer Schwerwellengeschwindigkeit. Ein Gebiet liegt vor der Westküste Südafrikas, ein zweites Gebiet unter dem Pazifik. (Quelle: https://www.geolsoc.org.uk/)

Astronomische Ereignisse im Juni 2023

Die schönsten Monatsereignisse im Überblick

SonneDie Sonne erreicht am 21. Juni auf der Ekliptik ihre höchste Deklination. Am Tag der Sommersonnenwende kulminiert sie in Zürich fast 66° im Süden. Die Sonnenaufgänge verändern sich während des gesamten Monats kaum und erfolgen zwischen 05:33 Uhr MESZ am 1., um 05:28 Uhr MESZ am 15. und um 05:32 Uhr MESZ am Monatsletzten. Die Sonnenuntergänge verspäten sich von 21:15 Uhr MESZ (am 1.) auf 21:27 Uhr MESZ am 30.
MondDer Mond startet schon fast voll in den ersten Sommermonat. Am 4. Juni haben wir Vollmond. Danach nimmt der Mond bis zum 10. auf die Hälfte ab (Letztes Viertel) und nach einer weiteren Woche haben wir am 18. Neumond. Danach können wir den Mond wieder am Abendhimmel sehen. Am 26. ist er wieder halb beschienen (Erstes Viertel).
MerkurDer sonnennächste Planet erreichte zwar Ende Mai, genauer am 29., seine grösste westliche Elongation am Morgenhimmel mit mehr als 25°. Anfang Juni steigt er etwas höher in den morgendlichen Himmel, bleibt jedoch ein schwieriges Beobachtungsobjekt. Nur bei sehr günstigen Sichtbedingungen kann man den flinken Planeten mittels Feldstecher auffinden.
VenusVenus ist noch immer dominanter «Abendstern», verkürzt jedoch ihre Sichtbarkeit auch wegen der spät einsetzenden Dämmerung auf etwa zwei Stunden. Zu Monatsbeginn kann man sie bis gegen 00:39 Uhr MESZ im Westnordwesten sehen, am 30. Juni erfolgt ihr Untergang gegen 23:35 Uhr MESZ. Vom 11. bis 15. Juni zieht sie knapp nördlich an M44 vorbei.
MarsÖstlich von Venus können wir den deutlich lichtschwächeren und leicht orange leuchtenden Mars entdecken. Der Rote Planet durchquert vom 31. Mai bis 3. Juni den offenen Sternhaufen M44 fast zentral. Die Helligkeit von Mars geht von +1.6mag auf +1.7mag geringfügig zurück.
JupiterDer grösste Planet des Sonnensystems ist zu Beginn des Juni noch zögerlich am Morgenhimmel zu sehen. Ab etwa der Monatsmitte verbessern sich seine Beobachtungsbedingungen etwas. Am 30. Juni kann man Jupiter bereits drei Stunden vor Sonnenaufgang beobachten. Am 14. kommt es zu einer recht nahen Begegnung mit der abnehmenden Mondsichel.
SaturnAuch der Ringplanet geht immer früher in der zweiten Nachthälfte auf. Doch erst Ende Monat erscheint er schon bald nach Mitternacht im Südosten.
UranusUranus erscheint zwar täglich früher am Morgenhimmel, doch weil auch die Sonne stets früher aufgeht, bleibt sein Sichtbarkeitsfenster praktisch konstant.
NeptunNeptun ist teleskopisch vorerst ab Mitte der zweiten Nachthälfte zu beobachten. Der Planet geht erst zum Monatsende hin kurz nach Mitternacht auf.
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