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Der Sternenhimmel im Juni 2025

Beitrag: Thomas Baer, Redaktion ORION

Thema des Monats: Die Plejaden in der Mythologie und in einem bekannten Volksmärchen

Für die Maori, die ersten Besiedler Neuseelands, symbolisieren die Plejaden die sieben Augen des Windes, in der griechischen Mythologie galten sie als Nymphen, die Töchter des Titanen Atlas und der Okeanide Pleione und die Tempel der Maya, Azteken und Inka sind in ganz Mittelamerika nach den Plejaden ausgerichtet. Doch wie kommt es, dass einer Sterngruppe in so verschiedenen Kulturen eine so grosse Bedeutung zukommt?

Erste Aufzeichnungen des offenen Sternhaufens finden wir in der prähistorischen Höhle von Lascaux in Südwestfrankreich. Die Felsmalerei zeigt eindeutig und unverkennbar den Kopf des Stiers mit seinen Hörnern und etwas nordwestlich über ihm die Plejadensterngruppe. Das Alter der Zeichnungen wird noch immer kontrovers diskutiert, dürfte aber zwischen 17’000 und 38’000 Jahren liegen.

Hier sehen wir eine recht präzise Darstellung der Hyaden (Stierkopf) und Plejaden in der Höhle von Lascaux. (Quelle: Wikipedia)

Anscheinend müssen die Menschen damals bereits ein Auge für den Sternhimmel gehabt haben, denn sonst hätten sie wohl kaum Sterne an die Höhlenwände gemalt. Dies lässt den Schluss zu, dass der nächtliche Himmel schon damals beobachtet wurde und als Orientierungshilfe gedient haben musste. Aber auch auf der kreisförmigen Bronzeplatte, der Himmelsscheibe von Nebra, deren Alter man auf 3’700 bis 4’100 Jahre schätzt, sind die Mondsichel und womöglich der Vollmond sowie eine aus sieben Sternen bestehende Gruppe zu sehen. Es sind verschiedene Interpretationen denkbar. Eine von ihnen scheint recht plausibel zu sein, denn sie würde für zwei Termine der Plejaden sprechen. Um etwa 1600 v. Chr. stand die Sterngruppe um den 10. März herum am Westhimmel, wo sie in der Abenddämmerung auf die zunehmende Mondsichel traf, und im Oktober dann vom vollen Mond Besuch erhielt.

Vorderseite der Himmelscheibe von Nebra im Landesmuseum für Vorgeschichte Sachsen-Anhalt (Halle). Neben der Plejadensterngruppe bestehend aus sieben goldenen Sternen, sind auch die zunehmende Mondsichel sowie vermutlich der Vollmond zu sehen. (Quelle: Wikipedia)

Die Zahl 7
Astronomiegeschichtlich sind Mythen um Sterne und Sternbilder nicht ungewöhnlich. Viele Völker sahen in ihnen etwas «Überirdisches», ja Göttliches! Und so entdeckten sie Figuren am Himmel, verbanden helle Sterne miteinander und erzählten sich Geschichten. Bei den Plejaden spielt die Zahl 7 eine wichtige Rolle. Kein Wunder, denn mit freiem Auge kann man sieben hellere Sterne zählen. Und in zahlreichen Kulturen hat die 7 eine tiefe Symbolik; gilt sie als Symbol für Vollkommenheit und Erleuchtung, aber auch in religiösen Texten kommt sie häufig vor; denken wir an die Schöpfungsgeschichte, die sieben Tugenden oder die sieben Todsünden.
In Märchen kommt die Zahl 7 oft vor. Sie ergibt sich aus den vier irdischen (Erde, Wasser, Luft und Feuer) und den drei himmlischen Elementen (Taube, Feuerzunge und Wind). Deshalb also die sieben Zwerge oder die sieben Geisslein.

Die Mondsichel mit Erdlicht am Abend des 1. Aprils 2025 kurz vor der Plejadenbedeckung. (Bild: Thomas Baer)

Erzählt uns die Plejadenbedeckung das «Geissen-Märchen»?
Und mit den sieben jungen Geisslein verbindet die Plejaden eines der wohl bekanntesten Märchen der Gebrüder Grimm. Es ist nicht abwegig, dass dieses Volksmärchen seinen Ursprung gar in einem astronomischen Ereignis, der Plejadenbedeckung durch den Mond hat. Der Zürcher Astronom und einstige Leiter der Eidgenössischen Sternwarte William Brunner beschäftigte sich mit den Beziehungen der Sterne und dem Wissensgut der Völker. Er brachte neben den sieben Geisslein (den Plejaden) auch den Wolf (unseren Mond) sowie die Venus (als Geissenmutter) ins Spiel. Brunners Erkenntnisse waren neu und höchst interessant, passen aber nahtlos zu den traditionellen Erzählungen und Betrachtungsweisen.

Die variable Mondbahn
Rund alle 18.6 Jahre geschieht es, dass der aufsteigende Mondknoten mit dem Frühlingspunkt zusammenfällt und sich die Mondbahn damit hoch über die Ekliptik (scheinbare jährliche Sonnenbahn) schwingt. So ist es möglich, dass die Sterngruppe der Plejaden, welche über der Ekliptik liegt, über einen längeren Zeitraum hinweg von der Mondbahn gekreuzt wird. Dies ist seit 2024 der Fall und wird noch bis ins Jahr 2028 so bleiben. Mit dem rückläufigen Weiterwandern der Mondknoten in der Ekliptik wird der Verlauf der Mondbahn in den kommenden Jahren wieder «flacher»; der Mond wird in den Zwillingen nicht mehr so weit nördlich stehen, und auch im Schützen, seinem tiefsten Wendepunkt, sinkt er nicht mehr so weit ab wie noch in diesem Jahr. Wir können also festhalten: Nur rund alle 19 Jahre sind Plejadenbedeckungen durch den Mond während etwa vier Jahren möglich.

Venus passiert immer wieder die Plejaden
Rund alle acht Jahre passiert Venus in den ersten Apriltagen die Plejaden, aber wegen den leicht unterschiedlichen Neigungen der Erd- und Venusbahn kommt es nur alle vollen 235 Jahre dazu, dass Venus in einer kurzen Serie mitten durch die Sterngruppe wandert; das nächste Mal in den Jahren 2028, 2036 und 2044. Aber nicht bei all diesen Venus-Plejaden-Begegnungen finden gleichzeitig auch Plejadenbedeckungen durch den Mond statt. Im Jahr 2028 läuft die aktuelle Serie aus, und erst 2044 werden wir das Märchen vom «Wolf und den sieben Geisslein» wieder astronomisch am Himmel vorgetragen bekommen.

Venus bei den Plejaden am 4. April 2020. (Bild: Thomas Baer)

Spielt die Venus die Rolle der Geissenmutter?
Was bei Brunners Überlegungen aufhorchen lässt, ist die Rolle der Venus. Für Brunner war klar, dass nur die Venus die «Geissenmutter» sein kann, da sich diese im Märchen in den Wald begibt, während der «Mondwolf», gut getarnt, zweimal vergeblich versucht, Einlass ins Geissenhäuschen zu bekommen. Erst im dritten Anlauf geschieht das Unheil. Wir haben es mit drei siderischen Mondumläufen à je 27.3 Tagen zu tun. Der einzige Planet, der für eine Rückkehrschleife rund 82 Tage (3 x 27.3 Tage) benötigt, ist Venus, wie Brunner errechnete. Die Neumondsituation am 26. Mai 2044 wird dabei nicht erwähnt, da unbeobachtbar. Frappant dabei ist die Form der Venus-Rückkehrschleife, die mit nicht viel Fantasie an ein Ziegenhorn erinnert (siehe Video).

Hier sehen wir das «Märchen vom Wolf und den sieben Geisslein» im Jahr 2044. (Animation: Thomas Baer)

Ob das «Geisslein-Märchen» seinen Ursprung tatsächlich in der Bedeckung des Sterngrüppchens hat, darüber kann heute gemutmasst werden. Da Märchen aber erwiesenermassen jahrhundertealte Erfahrungen enthalten, könnten die Bezüge zu solch herausragenden astronomischen Ereignissen durchaus noch deutlich weiter zurückliegen. Dieser Ansicht ist auch Ralf Koneckis, der sich mit Astronomie in Märchen und vor allem griechischen sowie germanischen Mythen beschäftigt: «Die Volksmärchen fixieren in ihrem Kern einfache Geschehnisse am Himmel.»
Die Gebrüder Grimm hatten 1803 erstmals Einblicke in alte Gedichtsammlungen und fingen drei Jahre später selbst an, Märchen und Sagen zu sammeln. 1801 spielte sich das Mond-Plejaden-Venus-Ereignis tatsächlich ab. Im 1822 aufgelegten dritten Band ihrer «Kinder- und Hausmärchen» findet sich ein interessanter Hinweis auf das Geisslein-Wolf-Sujet, eine 1565 in Frankfurt erschienene Fabel von Burkard Waldis.
In der nordischen Mythologie werden wir überdies auf den Wolf Hati aufmerksam, der den Wagen des Mondgottes Mani jagt und diesen über den Himmel treibt. Unverkennbar wird auch hier der böse Wolf – Hati steht im altnordischen für «Hass» oder «Feind» erkennbar – und mit dem Mond in Verbindung gebracht.

Die Plejadenbedeckung am Morgen des 23. Juni 2025
In den frühen Morgenstunden des 23. Juni 2025 kommt es abermals zu einer Plejadenbedeckung, diesmal durch die abnehmende Mondsichel. Wenn der Mond nach 03:00 MESZ aufgeht, steht er schon dicht beim Sterngrüppchen. In der Folge wandert er bei Beginn der Morgendämmerung durch den südlichen Bereich des offenen Sternhaufens.

So verläuft die Plejadenbedeckung am Morgen des 23. Juni 2025. (Grafik: Thomas Baer)

Astronomische Ereignisse im Juni 2025

Die schönsten Monatsereignisse im Überblick

SonneDie Sonne verlässt den Stier und erreicht am 21. Juni um 04:42.0 MESZ ihre höchste Deklination. Wir haben die Sommer-Sonnenwende (Astronomischer Sommeranfang) und den längsten Tag des Jahres. Morgens verharren die Sonnenaufgänge praktisch bei 05:30 MESZ, während sie sich abends von 21:15 MESZ auf 21:26 MESZ noch etwas verspäten. Den frühesten Sonnenaufgang erleben wir am 16. Juni (05:28.5 MESZ).
MondDer Mond ist zu Monatsbeginn schon fast halb beschienen; am 3. wird das Erste Viertel erreicht. Danach sinkt der Mond jeden Abend weiter ab. Vollmond haben wir am 11. im Sternbild des Schlangenträgers. Wir erleben den 8. südlichsten Vollmond der vergangenen 100 Jahre! Danach wechselt der Trabant in die zweite Nachthälfte und später an den Morgenhimmel. Das Letzte Viertel verzeichnen wir am 18., Neumond am 25. Am Morgen des 23. ereignet sich erneut eine Plejadenbedeckung zwische 03:30 MESZ und 04:15 MESZ.
MerkurDer sonnennächste Planet startet zu seiner zweitbesten Abendsichtbarkeit in diesem Jahr. Schon ab Monatsmitte taucht der Planet tief im Nordwest auf. Am besten kann man ihn zwischen dem 20. und 30. Juni sehen. Merkur ist hell genug, so dass man ihn mühelos auch mit freiem Auge erkennen kann.
VenusVenus erreicht am 1. Juni als «Morgenstern» mit fast 46° ihre grösste westliche Elongation. Trotz dieses Abstands von der Sonne ist der Planet nicht viel länger als anderthalb Stunden vor Sonnenaufgang zu sehen. Über den ganzen Monat betrachtet, ändert sich die Situation kaum.
MarsDer Rote Planet ist im Juni rechtläufig im Sternbild Löwe unterwegs. Am 16. und 17. zieht er in weniger als 1° Abstand nördlich an Regulus vorüber. Am 1. und 29. Juni bekommt Mars Besuch von der zunehmenden Mondsichel.
JupiterIm Juni zieht sich Jupiter vom Abendhimmel zurück. Er wird nun von der Sonne eingeholt und bleibt vorübergehend unbeobachtbar.
SaturnSaturn verlangsamt seine rechtläufige Bewegung im Sternbild der Fische und steigert seine Helligkeit von +1.11mag auf +1.00mag. In der früh einsetzenden Morgendämmerung können wir verfolgen, wie der Planet am ostsüdöstlichen Himmel aufsteigt. Inzwischen sind die Ringe wieder knapp 5″ weit geöffnet.
UranusUranus bleibt unbeobachtbar.
NeptunNeptun taucht knapp südlich von Saturn langsam am Morgenhimmel auf.
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