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Der Sternenhimmel im Oktober 2023

Beitrag: Thomas Baer, Redaktion ORION

Thema des Monats: Mondfinsternisse in Kalendern und an astronomischen Uhren

Am Samstagabend, 28. Oktober 2023, ereignet sich ab 20:00 Uhr MESZ eine partielle Mondfinsternis, die, sofern das Wetter mitspielt, in ihrem gesamten Verlauf am Ost- und Südosthimmel beobachtet werden kann. Sonnen- und Mondfinsternissen haben die Menschen seit jeher fasziniert, und so hat man diesen Ereignissen schon immer eine besondere Beachtung geschenkt und sie vorauszuberechnen versucht. In Volkskalendern und mit astronomischen Uhren wurden sie den Menschen angekündigt.

Die Mondfinsternis am 28. Oktober nimmt folgenden Verlauf: Um 20:00 Uhr MESZ taucht der Vollmond in den Halbschatten der Erde ein, ein Vorgang, den wir jedoch erst ca. 45 Minuten später allmählich wahrnehmen können, da der Halbschatten in seinen äusseren Bereichen noch kaum eine Verdüsterung der Mondscheibe hervorzurufen vermag. Um 21:35 Uhr MESZ berührt der Erdtrabant zum ersten Mal den Kernschatten. Jetzt wird die Finsternis partiell und erreicht gegen 22:14 Uhr MESZ ihren Höhepunkt. Am südlichen (unteren) Mondrand ist jetzt eine deutliche Delle erkennbar. Bis um 22:54 Uhr MESZ zieht sich der Kernschatten wieder zurück. Für eine Weile kann man noch den rauchartigen Schleier des Halbschattens erkennen, der langsam aber sicher verblasst.

Hier sehen wir den Verlauf der partiellen Mondfinsternis durch den nördlichen Bereich des Erdschattens. (Animation: Thomas Baer, Redaktion ORION)

Die Mondfinsternis ist bei uns in voller Länge und bequem über dem östlichen und südöstlichen Horizont zu beobachten. Um das Himmelsereignis zu verfolgen, reicht eigentlich das blosse Auge. Wer aber ein Fernglas oder gar ein Teleskop besitzt, sollte die Instrumente einsetzen, denn der Anblick des angeknabberten Mondes ist durchaus reizvoll, und um das Maximum herum kann man auch erkennen, dass die im Schatten stehende Zone leicht bräunlich schimmert. Es ist Restlicht, das durch die Erdatmosphäre gerötet und in den an sich dunklen Schattenkegel abgelenkt wird.

So verläuft die partielle Mondfinsternis in Bezug auf den Horizont. (Animation: Thomas Baer, Redaktion ORION)

Etwa so wird sich uns der Vollmond am Abend des 28. Oktobers 2023 gegen 22:14 Uhr MESZ präsentieren. (Bild: Thomas Baer, Redaktion ORION)

Warum faszinieren Finsternisse?

Einer der ältesten Kalender der Schweiz, der noch heute in fast unveränderter Form mit vielen lokalen Geschichten erscheint, ist der Appenzeller Kalender. Es gab Ende des 19. Jahrhunderts wohl keine einzige Appenzeller Stube, in der dieses schmucke Büchlein mit schwarz-roter Schrift nicht irgendwo herumlag und von allen gelesen wurde, selbst von jenen Menschen, die keine höhere Schulbildung hatten. Eine durch Pfarrer August Steiger im Sommer 1885 durchgeführte Umfrage betreffend der lesenden Bevölkerung unterstrich die Beliebtheit des Appenzeller Kalenders.

Interessant ist, dass Himmelsereignisse, allen voran Kometenerscheinungen und Finsternisse, in diesem Kalender besondere Beachtung fanden. Dieser Umstand ist dem Gründervater des Kalenders, Johannes Tobler, zu verdanken, der auf das Jahr 1722 den «Alten und Neuen Schreib-Calender» – so hiess der Appenzeller Kalender damals – herausgab. Der Autor bemängelte, dass in anderen Kalendern die astronomischen Berechnungen fehlerhaft gewesen seien; da gingen für das Jahr vor der Erstausgabe des Appenzeller Kalenders etliche Finsternisse schlicht vergessen. Tobler wollte es in seinem Werk besser machen, und begann, wie er im Vorwort schreibt, mit eigenen Berechnungen, was jedoch zweifelhaft erscheint, nutzte er doch ein knapp dreihundertseitiges Werk mit Planetentafeln der bedeutenden Astronomin Maria Cunitz, einer Zeitgenossin Galileo Galileis.

Die Menschen damals lebten noch viel stärker naturverbunden, und so herrschte bei vielen die Vorstellung, dass das, was am Himmel geschah, das Leben direkt beeinflussen würde. Besonders fürchteten sie sich vor der «erschröcklichen Finsternuss» oder vor Kometen, die sie als Zeichen Gottes und als Vorboten des nahenden Weltuntergangs interpretierten. So ist es nur naheliegend, dass die exakte Vorausberechnung solcher Ereignisse einen hohen Stellenwert genoss, ja unter Mathematikern und Astronomen jener Zeit sogar ein regelrechtes Wetteifern um die beste Prognose entflammte. Doch von sekundengenauen Zeitangaben war man damals noch weit entfernt! Sogar Toblers astronomischen Vorhersagen wichen nicht selten um mehrere Tage ab.

Ausschnitt aus dem kalendarischen Teil des Appenzeller Kalenders mit den «Sternzeichen», den Mondphasen und anderen astronomischen Symbolen wie auf- und absteigender Mondknoten, Konjunktionen mit Planeten und den Zeichen «obsigend» und «nidsigend». (Quelle: Wikipedia)

Astronomiekalender erfreu(t)en sich grosser Beliebtheit

Die Zyklen, nach denen sich Sonnen- und Mondfinsternisse abspielen und sich wiederholen, sind schon seit der Zeit der Babylonier bekannt. Eine der bekanntesten Perioden ist der Saroszyklus mit einer Dauer von 18 Jahren 10 oder 11 Tagen (je nach Anzahl dazwischenliegender Schaltjahre). Erste Hinweise findet man auf Tontafeln, die ins Jahr 748 v. Chr. zurückgehen. Nach diesem Zyklus wiederholen sich gleichartige Sonnen- und Mondfinsternisse. Daneben gibt es noch eine 19-jährige Periode, den Meton-Zyklus. All diese Zyklen sind genau genommen kleinste gemeinsame Vielfache zwischen Sonnenjahren und den Mondumläufen um die Erde. Beim Metonzyklus ist es so, dass 19 Sonnenjahre fast genau gleich lang sind, wie 235 synodische Mondmonate. Dies führt zum Umstand, dass über einen gewissen Zeitraum Finsternisse alle 19 Jahre am selben Datum stattfinden. So etwa gab es schon 1985, 2004 und eben jetzt 2023 eine Mondfinsternis an einem 28. Oktober, jedoch nicht mit dem Saroszyklus zu verwechseln. Die Finsternisse gehören den Sarosreihen Nr. 126 (1985), Nr. 136 (2004) und Nr. 146 (2023) an.
Astronomische Jahrbücher, die, wie der beschriebene Appenzeller Kalender solche Himmelsereignisse vorhersagte, haben eine lange Tradition und erfreuen (und erfreuten) sich stets grosser Beliebtheit. Die meist wenig gebildeten Menschen – die allermeisten besuchten lediglich die Volksschule – waren ja kaum in der Lage, die Vorgänge am Himmel zu erklären, geschweige denn vorauszuberechnen, und so hatten solche Himmelskalender für die damalige Bevölkerung, die mit der Natur lebte und von ihr abhängig war, einen viel höheren Stellenwert als heute.
Ereignisse, wie Finsternisse, Kometenerscheinungen oder Planetenbedeckungen wurden oft auch illustriert. In diversen Chroniken, etwa der Memorabilia Tigurina von Friedrich Vogel findet man zahllose Beschreibungen und Skizzen von astronomischen Ereignissen. Auch im Appenzeller Kalender von 1769, dem Jahr, als die Venus vor der Sonne durchzog, findet man Darstellungen dieser Ereignisse.

Seite aus dem Appenzeller Kalender 1769. (Quelle: Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, Trogen)

Die Marsbedeckung (F I) am 13. März 1769 konnte allerdings in der Schweiz «nur» als naher Vorbeigang und nicht als Bedeckung beobachtet werden, was die Ungenauigkeit der damaligen Vorhersagen unterstreicht. Der Venustransit am 4. Juni (F II) konnte damals von der Schweiz aus nicht beobachtet werden, dafür die partielle Sonnenfinsternis am Morgen desselben Tages (F III)! Und in den frühen Morgenstunden des 13. Dezembers fand eine recht tiefe partielle Mondfinsternis vor Monduntergang statt (F IIII).

Astronomiekalender gibt es bis in die heutige Zeit. Bekannt sind im deutschen Sprachraum vor allem «Das Himmelsjahr» (Deutschland) und «Der Sternhimmel» (Schweiz), der allerdings mit der 2024er-Ausgabe nach 84. Jahren das letzte Mal erscheinen wird. Die Idee ist im Prinzip dieselbe geblieben. Im von Robert A. Naef 1940 gegründeten und bis zuletzt durch den Mathematiker Hans Roth herausgegeben Schweizer Jahrbuch etwa wurden die astronomischen Ereignisse chronologisch Tag für Tag aufgeführt, und so war «der Naef» für viele Schweizer Astronomen ein treuer Begleiter, besser und praktischer als fast alles, was man sich sonst mit einigem Aufwand hätte aus dem Internet zusammensuchen müssen. Ein schneller Blick ins Jahrbuch reichte, und schon hatte man einen Beobachtungsabend geplant.
Im ORION 4/23 bringen wir ein lesenswertes persönliches Porträt über Hans Roth und sein Lebenswerk.

Ein Blick in den «Sternenhimmel». Tag für Tag sind dort die astronomischen Ereignisse mit denselben Symbolen aufgeführt, wie wir sie auch im Appenzeller Kalender finden. (Foto: Thomas Baer, Redaktion ORION)

Den Lauf von Sonne und Mond an Uhren sichtbar machen

Eine besondere Herausforderung war es, den Lauf von Sonne und Mond, manchmal sogar jener der Planeten, an hochkomplizierten mechanischen Uhren nachzustellen. Solche astronomischen Uhren, wie sie etwa in Solothurn zu bestaunen sind, zeigten neben der Uhrzeit eben auch astronomische Sachverhalte an, etwa die Lage von Sonne und Mond vor den Tierkreissternbildern, die Mondphasen, sowie die Positionen der hellsten Planeten. Die Uhrmacher jener Zeit waren grosse Tüftler und Erfinder, mussten doch die astronomischen Zyklen sehr präzise mechanisch umgesetzt werden. Eine Hochblüte erlebten astronomische Uhren in der Renaissance. Vielerorts zierten und zieren sie noch heute Stadttore oder Türme.

Auch Finsternisse kann man, sofern der Betrachter einer solchen Uhr etwas astronomisch beschlagen ist, ablesen. An der Schaffhauser Fronwaguhr etwa gibt es einen wundersamen Drachenzeiger, der nichts anderes als die Drachenpunkte der Mondbahn (Mondknoten) anzeigt und sich in 18 Jahren einmal dreht! Kommt ein Vollmond mit dem Drachenzeiger in Deckung, so steht eine Mondfinsternis bevor. Am 28. Oktober 2023 ist es wieder soweit!

Die astronomische Uhr am Zeitglockenturm in Solothurn. (Bild: Thomas Baer, Redaktion ORION)

Wir führen den astronomischen Kalender ab 2025 weiter

Mit dem Ende des traditionsreichen Buches «Der Sternenhimmel» verschwindet nach Astroinfo (2020) innert kürzester Zeit bereits ein zweites Schweizer Unikat für immer. Selbstverständlich haben sich die Zeiten geändert, und viele Amateurastronomen haben ihre eigenen Quellen. Wenn man gezielt sucht, so findet man schier alles irgendwo im Internet. Wir von ORIONmedien wollen diesem Trend nicht einfach tatenlos zusehen und den «Sternenhimmel» weiterleben lassen. Deshalb planen wir ab 2025 neben unserem bereits seit Juni 2022 geführten täglichen Astrokalender unter der Rubrik «Heute am Himmel», der wie im «Sternenhimmel» astronomische Ereignisse chronologisch auflistet, ein rund 80-seitiges Sonderheft, das mit vielen Grafiken, interessanten Hintergrundberichten und Beobachtungstipps durch das Astrojahr 2025 und die weiteren Astrojahre begleiten soll. Liegt auch Ihnen die Fortführung eines astronomischen Kalenders am Herzen und wünschen auch Sie seinen Fortbestand, sind wir über jede Spende für die Realisierung dieses Projektes dankbar.

Sie können das «Sternenhimmelheft 2025» hier unterstützen: https://orionportal.ch/goenner/
Für Fragen steht Ihnen die ORION-Redaktion jederzeit zur Verfügung: redaktion@orionmedien.ch

Wir werden zeitnah (Frühjahr 2024) über dieses Heft berichten und dann auch die Bestellmodalitäten bekanntgeben. Das Heft wird im Digitalprint-Verfahren hergestellt, was uns ermöglicht, die genaue Bestellmenge zu drucken.

Ab 2025 planen wir von ORIONmedien aus auf Vorbestellung ein rund 80-seitiges «Sternenhimmelheft» herauszugeben. Hier das Cover des ersten Heftes. (Bild: Thomas Baer, Redaktion ORION)

Astronomische Ereignisse im Oktober 2023

Die schönsten Monatsereignisse im Überblick

SonneDie Sonne ist weiterhin auf dem absteigenden Ast. Sie durchquert das Sternbild der Jungfrau. Über den gesamten Monat betrachtet, sieht die Situation wie folgt aus: Die Sonnenaufgänge verspäten sich um weitere 44 Minuten von 07:24 Uhr MESZ (am 1. Oktober) auf 07:08 Uhr am Monatsletzten. Bei den Sonnenuntergängen ist die Verfrühung mit 55 Minuten von 19:06 Uhr MESZ (am 1. Oktober) auf 18:11 Uhr MESZ (17:11 Uhr MEZ) am 31. grösser; abends wird es rasch früh dunkel, erst recht, wenn wir die Uhren am 29. Oktober 2023 wieder auf Normalzeit zurückstellen. Auch die Mittagshöhe (Kulminationshöhe) der Sonne nimmt von 39.3° auf 28.4° merkbar ab.
MondDer Mond startet wie schon im September noch fast voll in den zweiten Herbstmonat. Bis zum 6. September nimmt der Mond auf die Hälfte ab (Letztes Viertel) und nach einer weiteren Woche verzeichnen wir am 14. Neumond. An diesem Tag ereignet sich über Nord-, Mittel- und Südamerika eine ringförmige Sonnenfinsternis statt. Für den Rest des Monats können wir den Trabanten wieder am Abendhimmel sehen. Am 22. erscheint er wieder halb beschienen (Erstes Viertel). Vollmond haben wir dann am 28. An diesem Abend streift der südliche Mondrand den Kernschatten der Erde; wir erleben eine partielle Mondfinsternis.
MerkurDer sonnennächste Planet beendet in den ersten Oktobertagen seine seit Mitte September andauernde Morgensichtbarkeit. Am 5. können wir ihn –1.1mag hell noch knapp über dem östlichen Horizont erspähen. Dank seiner Helligkeit müsste man ihn problemlos von blossem Auge sehen können. Wer auf Nummer sicher gehen will, benutzt ein Fernglas, um ihn in der Morgendämmerung zu entdecken. Während des Monats eilt der Planet der Sonne hinterher, holt sie aber am 20. ein. Dann steht er in oberer Konjunktion. Die Begegnung mit Mars am 29. bleibt indessen unbeobachtbar.
VenusVenus strahlt nach wie vor als heller «Morgenstern» über dem Osthorizont. Am 24. Oktober 2023 erreicht sie mit 46° 25′ ihre grösste westliche Elongation. Schon am 10. kommt es zu einem hübschen Anblick, wenn sich die abnehmende Mondsichel zu Venus und Regulus im Löwen gesellt. Wer den Planeten durch ein Teleskop beobachtet, erkennt zu Monatsbeginn eine schon relativ dicke Lichtsichel. Am 22. erscheint Venus schliesslich genau zur Hälfte beleuchtet (Dichotomie). Das Planetenscheibchen ist dann noch 25″ gross.
MarsWie schon im September bleibt Mars auch im Oktober nicht zu beobachten. Er wandert durch das Sternbild Jungfrau und tritt am 24. in die Waage über. Die Sonne rückt zwar immer enger zu ihm auf; seine Konjunktion erfolgt allerdings erst Mitte November.
JupiterJupiter wird nun mehr und mehr zum dominanten Nachtgestirn! Er beschleunigt seine rückläufige Bewegung und nähert sich seiner Opposition, die er Anfang November erreichen wird. Er begleitet uns jetzt durch die ganze Nacht. Seine scheinbare Helligkeit legt noch etwas zu und erreicht zum Monatsende hin –2.9mag. Damit ist der Planet selbst von weniger geübten Beobachterinnen und Beobachtern kaum mehr zu übersehen.
SaturnDer Ringplanet bremst seine rückläufige Bewegung im Sternbild Wassermann ab und kommt zum Monatsende hin scheinbar fast zum Stillstand. Seine Helligkeit geht leicht auf +0.7mag zurück. Mit Einbruch der Dunkelheit können wir ihn bereits über dem Südosthorizont sehen. Seine Untergänge verfrühen sich im Laufe des Monats um fast zwei Stunden von 04:00 Uhr MESZ auf 02:00 Uhr MESZ (01:00 Uhr MEZ).
UranusTeleskopisch können wir Uranus ab dem späten Abend im Sternbild Widder aufstöbern. Wie Jupiter ist auch der leicht grünliche Planet mitten in seiner Oppositionsperiode.
NeptunNeptun bremst seine rückläufige Bewegung im Sternbild der Fische ab. Im Vormonat stand er in Opposition zur Sonne und kann jetzt ab dem Eindunkeln bis etwas über Mitternacht hinaus teleskopisch beobachtet werden.
Den täglichen Astrokalender mit viel mehr Informationen gibt es in der Rubrik «Heute am Himmel»

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