Das Magnetfeld eines Sterns muss berücksichtigt werden, um die Grösse und andere Eigenschaften seiner Exoplaneten aus Beobachtungsdaten von Weltraumteleskopen wie Kepler, James Webb oder PLATO korrekt zu bestimmen. Das belegen neue Modellrechnungen, die eine Forschergruppe unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen heute in der Fachzeitschrift Nature Astronomy vorstellt. Die Forschenden zeigen, dass die Helligkeitsverteilung des Sterns über seine gesamte Scheibe von seiner magnetischen Aktivität abhängt. Dies wiederum beeinflusst die Spuren, die seine Exoplaneten in Beobachtungsdaten hinterlassen. Das neue Modell der Forschergruppe ist unerlässlich, um bei der Suche nach fernen Welten ausserhalb unseres Sonnensystems die Daten der neusten Generation von Weltraumteleskopen richtig interpretieren zu können.
Beitrag: Birgit Krummheuer, Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, Göttingen
700 Lichtjahre entfernt von der Erde im Sternbild Jungfrau zieht der Planet WASP-39b seine Bahnen um den Stern WASP-39. Der Gasriese, der kaum mehr als vier Tage für einen Umlauf benötigt, zählt zu den am besten untersuchten Exoplaneten: Kurz nach der Inbetriebnahme im Juli 2022 richtete das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA seinen hochpräzisen Blick auf den fernen Planeten. In den Messdaten fanden sich Hinweise auf grosse Mengen Wasserdampf, auf Methan und sogar erstmals auf Kohlendioxid in der Atmosphäre von WASP-39b. Eine kleine Sensation. Doch es bleibt ein Wermutstropfen: Forschenden gelingt es bisher nicht, alle entscheidenden Details der Messkurven in Modellrechnungen zu reproduzieren. Dies steht einer noch exakteren Auswertung der Daten im Wege. In ihrer aktuellen Studie zeigt das vom MPS geleitete Team, zu dem auch Forschende des Massachusetts Institute of Technology (USA), des Space Telescope Science Institute (USA), der Universität Keele (Vereinigtes Königreich) und der Universität Heidelberg gehören, einen Weg auf, dieses Hindernis zu überwinden.
«Die Probleme, die sich bei der Interpretation der Messdaten von WASP-39b ergeben, kennen wir von vielen Exoplaneten – ganz gleich, ob sie mit den Weltraumteleskopen Kepler, TESS, James-Webb oder der zukünftigem Raumsonde PLATO beobachtet werden», erklärt MPS-Wissenschaftlerin Dr. Nadiia Kostogryz, Erstautorin der neuen Studie. «Auch bei WASP-39 fällt die beobachtete Lichtkurve flacher ab, als bisherige Modelle erklären können», fügt sie hinzu.
Als Lichtkurve bezeichnen Forschende Helligkeitsmessung eines Sterns über einen längeren Zeitraum. Die Helligkeit eines Sterns fluktuiert ständig, etwa weil seine Leuchtkraft natürlichen Schwankungen unterliegt. Auch Exoplaneten können Spuren in der Lichtkurve hinterlassen. Zieht ein Exoplanet vom Beobachter aus betrachtet vor seinem Stern vorbei, verdunkelt er ihn. In der Lichtkurve zeigt sich dies als regelmäßig wiederkehrender Helligkeitsabfall. Genaue Auswertungen solcher Kurven liefern Informationen über Grösse und Umlaufdauer des Planeten. Zudem können Forschende ihnen Informationen über die Zusammensetzung der Atmosphäre des Planeten entnehmen, wenn sie das Sternenlicht in seine verschiedenen Wellenlängen aufgespalten.
Genauer Blick auf den Randbereich
Eine entscheidende Rolle bei der Interpretation einer Lichtkurve spielt der Randbereich eines Sterns. Wie im Fall der Sonne erscheint dieser dem Beobachter dunkler als der innere Bereich des Sterns. Dabei leuchtet der Stern weiter aussen nicht wirklich weniger hell. «Da der Stern eine Kugel ist und seine Oberfläche gekrümmt, schauen wir am Rand in höhere und deshalb kühlere Schichten als in der Mitte», erklärt Koautor und MPS-Direktor Prof. Dr. Laurent Gizon. «Dieser Bereich erscheint uns deshalb dunkler», fügt er hinzu.
Die Sonne erscheint an ihrem Rand deutlich dunkler als in der Mitte. (Bild: NASA)
Dass sich die Randverdunklung auf die genaue Form des Exoplaneten-Signals in der Lichtkurve auswirkt, ist bekannt: Die Verdunklung bestimmt, wie steil die Helligkeit eines Sterns beim Planetentransit abfällt und danach wieder ansteigt. Doch mit herkömmlichen Modellen der Sternatmosphäre war es bisher nicht möglich, Messdaten genau zu reproduzieren. Die gemessenen Lichtkurven fielen stets weniger abrupt ab, als die Modellrechnungen erwarten liessen. «Es war klar, dass uns ein entscheidendes Puzzleteil fehlt, um das Signal der Exoplaneten genau zu verstehen», so Koautor und MPD-Direktor Prof. Dr. Sami Solanki.
Magnetfeld ist das fehlende Puzzleteil
Wie die heute veröffentlichten Rechnungen zeigen, handelt es sich bei dem gesuchten Puzzleteil um das Magnetfeld des Sterns. Wie auch die Sonne erzeugen viele Sterne tief in ihrem Innern durch gewaltige Plasmaumwälzungen ein Magnetfeld. Dieses konnten die Forschenden nun erstmals in ihre Modellrechnungen der Randverdunklung einbeziehen. Dabei zeigte sich, dass sich die Stärke des Magnetfeldes empfindlich auswirkt: Bei Sternen mit schwachem Magnetfeld ist die Randverdunklung ausgeprägt; bei solchen mit starkem Magnetfeld fällt sie schwächer aus.
Sternen mit geringer Magnetfeldstärke weisen eine ausgeprägtere Randverdunklung auf als solche mit starkem Magnetfeld. Dies wirkt sich auf die Form der Lichtkurve aus. (Quelle: © MPS / hormesdesign.de)
Zudem konnten die Forscherinnen und Forscher belegen, dass die Diskrepanz zwischen Beobachtungsdaten und Modellrechnungen verschwindet, wenn das Magnetfeld des Sterns mitberücksichtigt wird. Dafür wandte sich das Team ausgewählten Messdaten des NASA-Weltraumteleskops Kepler zu, das von 2009 bis 2018 das Licht abertausender Sterne einfing. In einem ersten Schritt modellierten die Wissenschaftler die Atmosphäre typischer Kepler-Sterne unter Beisein eines Magnetfeldes. In einem zweiten Schritt erzeugten sie dann aus diesen Rechnungen «künstliche» Beobachtungsdaten. Wie ein Vergleich mit den echten Messdaten zeigte, gelingt es, die Kepler-Daten zu reproduzieren, wenn das Magnetfeld berücksichtigt wird.
Ebenso weitete das Team seine Überlegungen auf Messdaten des James-Webb-Teleskops aus. Dies ist in der Lage, das Licht ferner Sterne in seine verschiedenen Wellenlängen zu zerlegen und so nach den charakteristischen Anzeichen bestimmter Moleküle in der Atmosphäre der entdeckten Planeten zu suchen. Wie sich zeigt, beeinflusst das Magnetfeld des Muttersterns seine Randverdunklung in verschiedenen Wellenlängen unterschiedlich – und sollte deshalb bei künftigen Auswertungen mitberücksichtigt werden, um noch präzisere Ergebnisse zu erzielen.
Von Teleskopen zu Modellen
«In den vergangenen Jahrzehnten und Jahren bestand der Weg, in der Exoplanetenforschung voranzukommen, darin, die Hardware zu verbessern, also die Weltraumteleskope, die für die Suche nach neuen Welten und deren Charakterisierung entwickelt wurden. Das James-Webb-Weltraumteleskop ist die aktuelle Spitze dieser Entwicklung», so Dr. Alexander Shapiro, Koautor der aktuellen Studie und Leiter einer MPS-Forschungsgruppe, die von der Europäischen Forschungskommission (ERC) gefördert wird. «Der nächste Schritt ist es nun, die Modelle zur Interpretation dieser hervorragenden Daten zu verbessern und zu verfeinern», fügt er hinzu.
Um diese Entwicklung weiter voranzutreiben, wollen die Forscherinnen und Forscher ihre Analysen nun auf Sterne ausweiten, die sich deutlich von der Sonne unterscheiden. Zudem bieten ihre Erkenntnisse die Möglichkeit, in Zukunft aus den Lichtkurven von Sternen mit Exoplaneten auf die Stärke des Sternmagnetfeldes zu schließen.