In diversen US-Fernsehsendern war er zu Gast und auf etlichen (auch deutschen) YouTube-Kanälen präsent. Der theoretische Astrophysiker Avi Loeb tinglet derzeit mit kruden Theorien rund um das interstellare Objekt 3I/ATLAS von einem zum nächsten Termin und ändert seine Blogeinträge, wenn der Gegenwind zu stark wird.
Kommentar: Thomas Baer, Redaktion ORION
Als Wissenschaftsjournalist im Bereich Astronomie und Raumfahrt reibt man sich die Augen, wenn man auf diversen Social Media-Kanälen und in US-Nachrichtensendern den kruden Theorien eines Avi Loeb betreffend des interstellaren Objekts 3I/ATLAS verfolgt. Der Astronomie und der seriösen Wissenschaft um dieses Objekt, tut dieser Harvard-Professor in der Öffentlichkeit wahrlich einen Bärendienst. Erschreckend auch, zu sehen, wie viele leichtgläubigen Menschen seinen abenteuerlichen Geschichten und Interpretationen um dieses Objekt ihre Aufmerksamkeit schenken. Längst ist bekannt, dass es sich bei 3I/ATLAS um einen Kometen handelt, der aufgrund seiner Herkunft aus dem interstellaren Raum sicher interessante Dinge preisgibt, wie sie Wissenschaft bis anhin bei Kometen noch nicht beobachtet hat. Weiter ist dies auch nicht verwunderlich, denn 3I/ATLAS ist nach 1I/ʻOumuamua (2017), 2I/Borisov (2019/2020) erst das dritte beobachtete interstellare Objekt, das man mit verschiedenen Teleskopen und Raumsonden genauer untersuchen kann.

So ändert Professor Loeb innert weniger Stunden seinen Blogeintrag ab! Wird der Gegenwind zu stark, wird einfach umgeschwenkt. (Quelle: LPIndie – Astronomie und Wissenschaft)
Am 21. November fabulierte Loeb über eine schnurgerade feine Spur, die exakt über den Kometenkopf verlief, über Gase oder Staub, die angeblich mit der linearen Bahn kleinerer Mini-Objekte verbunden seien und sich von 3I/ATLAS gelöst hätten. Dies mag in den Ohren eines Laien topp wissenschaftlich klingen und hat bei vielen Followern natürlich Gewicht, denn schliesslich wurde dies von einem Professor so formuliert. Drauskommen, was mit dem Satz genau gemeint ist, muss man nicht! Und falls Loeb diese «Geschichte» dann doch um die Ohren fliegen sollte, schreibt er in seiner «Eilmeldung», den «rettenden Satz», bei der ominösen Lichtspur könnte es sich um einen erdgebundenen Kommunikationssatelliten handeln.

Die eindeutige Satellitenspur, die zufällig den Kometen kreuzt, interpretierte Loeb als «Jets», die vom Kometen ausgehen sollen. Weder auf früheren Bildern, noch auf späteren Aufnahmen sind diese zu sehen. (Quelle: LPIndie – Astronomie und Wissenschaft)
Wer sich nur einigermassen mit Astrofotografie und Astronomie auskennt, sieht mit einem Blick, dass die Lichtspur auf dem analysierten Foto tatsächlich eine der vielen Satellitenspuren ist, vermutlich leicht retouchiert. Wie mühsam die Astrofotografie in den letzten Jahren geworden ist, zeigt das obige Bild. Im unteren Bereich kreuzt gleich ein zweiter Satellit das Blickfeld.
Loeb ändert nur Stunden später seine Texte
Kaum zwei Stunden später, kommt das, was zu erwarten war. Plötzlich heisst Loebs Blog-Titel nun: «Neu entdeckte seitliche Linien sind wahrscheinlich Satellitenstreifen oder ein Hinweis auf die Freisetzung kleinerer Objekte durch 3I/ATLAS»! Er ändert im nachfolgenden Lauftext einige Passagen ab, doch die weltfremde Interpretation der «Jets», die er auf dem einen Bild sehen wollte, lässt er weiter stehen. Es ist mehr als fraglich, wie ein vermeintlich ‘renommierter Wissenschaftler’ seine eigens aufgestellten Theorien nicht einmal prüft, denn, sollten diese ominösen Jets tatsächlich von 3I/ATLAS ausgehen, müssten diese logischerweise auf allen Bildern, die in den Tagen davor und danach vom Objekt geschossen wurden, ebenfalls zu sehen sein! Ausserdem sind auf vielen anderen Bildern, die man im Internet findet, diverse Satellitenspuren zu sehen, die den Kometen teilweise auch kreuzen.

So wird der Blogeintrag kurzerhand etwas umgeschrieben. (Quelle: LPIndie – Astronomie und Wissenschaft)
Noch am Morgen fügte Loeb eine wenig nachvollziehbare Berechnung anhand der eindeutigen Satellitenspur an, die aber schlicht und ergreifend keinen Sinn ergibt, Unwissende aber «pseudowissenschaftlich» überzeugen mag! Es ist nicht zu verstehen, dass ein Harvard-Professor einen solchen Schwachsinn (Fake News) postet, den er nur wenige Stunden später, ohne auf den vorherigen Eintrag bezugnehmend, kurzerhand abändert, indem er nun plötzlich doch von Satellitenspuren redet. Diese Art von «Wissenschaftlichkeit» ist nur eines; irreführend und wie es Michael Dechant vom Kanal von LPIndie auf den Punkt bringt, ganz schlechter Stil!
Schade, wenn YouTuber solchen Leuten eine Plattform bieten
Selbstverständlich übt das «Ausserirdische» auf die meisten Menschen eine magische Faszination aus. Wir sehen und sahen dies nur schon in den in regelmässigen Sichtungen unbekannter Flugobjekte, jüngst den Drohnen, von denen es durchs Band nur unscharfe Bilder gibt und die man interessanterweise bis heute nicht identifizieren konnte. Genau solche Dinge zieht Menschen in Massen an, die einfach alles glauben, was irgendwo zu hören oder zu lesen ist und nicht selbst recherchieren, was wirklich dahintersteckt. Und wenn eine Persönlichkeit mit Professoren-Titel die seltsamsten Theorien in die Welt setzt, muss es ja stimmen.
Mitnichten! Ein Titel sagt noch lange nichts über die Qualität der Arbeit eines Professors aus, wie auch Dechant klarstellt. Zwar nennt sich Avi Loeb «theoretischer Astrophysiker», der sich zu Beginn seiner Karriere tatsächlich mit seriösen Themen, wie der Erforschung des Universums kurz nach dem Urknall, beschäftigt hatte. Bald aber begann er populärwissenschaftliche Werke zu schreiben und widmete sich in jüngerer Zeit vermehrt mit ausserirdischen Themen, die vom Stil her eher an einen Erich von Däniken erinnern, über den im Wikipedia-Eintrag unmissverständlich deklariert wird, dass er parawissenschaftliche Prä-Astronautik (Wissenschaft ausserhalb der akademischen Wissenschaften) betreibt.
Selbstverständlich darf sich auch ein Wissenschaftler mit Fragen rund um ausserirdisches Leben beschäftigen. Dies ist etwa eine zentrale Frage im Bereich der Exoplaneten. Auch die JUICE-Mission wird ab 2031 nach möglichen Indizien von Leben im vermuteten Ozean des Eismondes Europa forschen. Wenn es allerdings um mögliche ausserirdische Zivilisationen geht, ist die Gefahr gross, in Fantasien abzudriften.
Deshalb bleibt die Frage, warum sich Avi Loeb mit ausserirdischen Technologien und dergleichen beschäftigt und damit die öffentliche Aufmerksamkeit sucht. Natürlich gab es, als man 3I/ATLAS entdeckte, überraschende Aspekte. Doch bloss wegen seiner Herkunft und der überraschenden chemischen Zusammensetzung gleich von einem «Raumschiff» zu sprechen, nur weil sich das Objekt von bisher Bekanntem abhebt, ist hanebüchen.
Das Objekt zeigt tatsächlich zum Teil noch nie bei Kometen beobachtete Eigenschaften. Dann geisterten Bilder im Netz herum, die den Himmelskörper zwar mit riesiger Koma, aber ohne Schweif zeigten. Wenn man allerdings die räumliche Geometrie studierte, war es nur logisch, dass man von der Erde aus betrachtet keinen Schweif sehen konnte, denn dieser zeigte genau von der Sonne weg «hinter das Objekt»! Ausserdem sah man verschiedene Aufnahmen, die einfach kürzer belichtet oder nicht gestackt wurden und damit den ausgesprochen filigranen Ionen- und Staubschweif gar nicht abbildeten. Doch Loeb sah in jedem noch so kleinen Detail etwas noch nie Beobachtetes und schon hatte er eine neue Sensations-Schlagzeile.
Dass zahlreiche deutsche YouTuber mit grosser Reichweite diesem Professor noch eine Plattform bieten, hat wohl mehr damit zu tun, dass sie ihren eigenen Kanal betreffend Abonnenten «explodieren» lassen wollen. Leider aber verlieren so Kanäle, die ursprünglich einmal seriös über Wissenschaft & Astronomie berichten wollten, komplett an Glaubwürdigkeit. Es ist klar erkennbar, dass es hier bloss um die «Heischerei» einer breiten öffentlichen Aufmerksamkeit geht, sicher aber nicht um seriöse Wissenschaft. Der Name «Avi Loeb» sei Dank!