• Aus der Raumfahrt

Marsproben auf der Erde:Vorbereitungen für den Glücksfall

Der Mars-Rover Perseverance hat zahlreiche Proben genommen, die zur Erde reisen sollen. Aktuelle Studien bereiten den künftigen Umgang mit dem kostbaren Material vor.  

Beitrag: Dr. Birgit Krummheuer

Der Mars ist ein unwirtlicher und lebensfeindlicher Wüstenplant. Vor Milliarden von Jahren war das anders. Im Jezero-Krater zum Beispiel erstreckte sich wohl, gespeist von einem weit verzweigten Flussdelta, eine beträchtliche Wasserfläche in etwa von der Grösse des Bodensees. Dort könnten lebensfreundliche Bedingungen geherrscht haben. Seit mehr als vier Jahren ist der längst ausgetrocknete Jezero-Krater der Arbeitsplatz von Perseverance. Der NASA-Rover führt nicht nur Messungen vor Ort durch, sondern hat bereits 33 Gesteins-, Boden- und Atmosphärenproben entnommen und zum Teil sicher an Bord verstaut. Eine künftige Mission soll sie zur Erde bringen.
In den vergangenen zwei Jahren hat ein internationales Team aus 21 Forschenden unter Leitung der amerikanischen und europäischen Weltraumagenturen NASA und ESA ausgelotet, wie mit den Proben von Perseverance aus wissenschaftlicher Sicht auf der Erde zu verfahren ist. Die umfangreiche Studie wurde jetzt in der Fachzeitschrift Astrobiology veröffentlicht. Zu den Autoren, die NASA und ESA aus zahlreichen Bewerberinnen und Bewerber aus den USA, Kanada und den 22 ESA-Mitgliedsstaaten ausgewählt hat, zählen als einzige Vertreter deutscher Forschungseinrichtungen Christian Schröder vom MPS und Andreas Pack vom Geowissenschaftlichen Zentrum der Universität Göttingen. Die NASA hat das Team vor Kurzem mit dem NASA Group Achievement Award ausgezeichnet. In einem weiteren Bericht in derselben Zeitschrift gehen Forschende der Frage nach, wie die Marsproben vor irdischen Verunreinigungen geschützt werden können. Einer der Koautoren ist Christoph Burkhardt vom MPS. 

Andreas Pack (links) und Christian Schröder (rechts) gehören zum 21-köpfigen Autorenteam der aktuellen Studie. (Bild: MPS)

Spuren von Leben?
Die Proben, die der Mars-Rover Perseverance gesammelt hat, enthalten wertvolle Informationen über die Entstehung und weitere Entwicklung des Mars und können helfen, die Frage zu klären, ob es je Leben auf unserem Nachbarplaneten gegeben hat. Messungen, die Perseverance vor Ort auf dem Mars durchgeführt hat, sprechen dafür, bieten aber keine Gewissheit.
Die vergleichsweisen kleinen und wenigen Messinstrumente, die Perseverance an Bord trägt, bieten nur sehr begrenzte Möglichkeiten. Nur auf der Erde können verschiedenste Analysemethoden zum Einsatz kommen und nur hier lassen sich Messungen mit höchster Empfindlichkeit und Präzision durchführen. 
Für ihren aktuellen Bericht haben 21 Wissenschaftlern identifiziert, welchen Messungen die Marsproben unterzogen werden sollten, um ihr Potenzial voll auszuschöpfen. Die Forschenden hoffen auf neue Erkenntnisse aus den Bereichen der Planetenentstehung, der geophysikalischen und geochemischen Entwicklung des Mars und der Astrobiologie sowie auf wertvolle Hinweise für künftige, möglicherweise auch bemannte Marsmissionen. Zudem klärt der Bericht praktische Fragen im Umgang mit den Proben: Welche Messungen müssten so schnell wie möglich erfolgen? Schliesslich könnten sich, etwa unter dem Einfluss von Luftfeuchtigkeit und Sauerstoff, einige Eigenschaften der Proben nach dem Öffnen der Probenröhrchen verändern. Und welche Messungen können nachweisen, ob sogar Leben in den Proben steckt oder eine eventuelle Biogefährdung ausschliessen?

In der Region «Bright Angel» im Jezero Krater findet sich diese Formation, genannt Cheyava Falls, von der Perserverance im vergangenen Jahr eine Gesteinsprobe entnommen hat. Das entsprechende Bohrloch ist links zu sehen. Jüngste Untersuchungen der Probe bieten Hinweise auf einstiges Leben. (Quelle: NASA/JPL-Caltech/ASU/MSSS)

Auffangstation mit 18 Messinstrumenten
Die Marsproben sollen zunächst in einer Art wissenschaftlichen Auffangstation aufgenommen werden, der Sample Receiving Facility. Nach Empfehlung der Experten soll sie mit 18 wissenschaftlichen Instrumenten ausgestattet werden, darunter Röntgentomograf, Elektronenmikroskop sowie verschiedene Massenspektrometer. In der Auffangstation würden Mitarbeitende die Proben zunächst für den weiteren Gebrauch beschreiben und katalogisieren sowie die mögliche Biogefährdung, die von ihnen ausgehen könnte, einschätzen. Danach könnten all diejenigen Untersuchungen erfolgen, die zeitkritisch sind. Eine wichtige Erkenntnis des Berichts: Ein Grossteil der wissenschaftlich notwendigen Messungen soll später ausserhalb der Auffangstation in spezialisierten Laboren erfolgen. 
Darüber, welche Labore weltweit Teile des kostbaren Materials erhalten, wird eine Art Bewerbungsverfahren entscheiden. Das Vorgehen stellt sicher, dass die Proben in die erfahrensten und qualifiziertesten Hände gelangen. Die Göttinger Forscher hoffen sowohl auf Gesteins- als auch auf Gasproben von Perseverance. 

In diesen Probenröhrchen sammelt Perseverance die Marsproben. (Bild: NASA/JPL-Caltech)

Ein Blick auf Isotope
Die Forschenden um Andreas Pack vom Geowissenschaftlichen Zentrum der Universität Göttingen wollen vor allem die Mengenverhältnisse der Sauerstoff-Isotope in der Marsatmosphäre bestimmen, die zusammen mit den Gesteinen in den Probenröhrchen eingeschlossen wurde. Isotope sind Spielarten desselben Elements, die sich allein durch die Anzahl der Neutronen im Kern unterscheiden. Die Sauerstoff-Isotopen-Zusammensetzung der Marsatmosphäre erlaubt Rückschlüsse auf den Austausch von Kohlendioxid zwischen Oberfläche und Atmosphäre und liefert beispielsweise Erkenntnisse über die klimatische Entwicklung auf unserem Nachbarplaneten. 

Am MPS liegt der Fokus auf den Metallisotopen in den Gesteinsproben. Ihnen könnten die Forschenden Informationen über das Alter des Materials entnehmen, wo im Sonnensystem es seinen Ursprung und wie es sich weiterentwickelt hat. MPS-Forschende haben auf diese Weise bereits Proben des Asteroiden Ryugu untersucht. Dafür wird das Material zunächst in Säure aufgelöst und dann in hochspezialisierten Massenspektrometern analysiert. Da das Probenmaterial bei dieser Untersuchungsmethode zerstört wird, ist es entscheidend, selbst kleinsten Materialmengen verlässliche Messergebnisse abzuringen.