Nachdem am vergangenen Montag ein eingefrorenes Druckventil den Countdown im letzten Moment stoppte, startete heute um 15:34 Uhr MESZ das Starship zu einem ersten Testflug. Am Anfang sah alles gut aus. Doch dann setzten ein paar Triebwerke aus und die Riesenrakete kam ins Trudeln und explodierte wenige Minuten später in einem gigantischen Feuerball über dem Golf von Mexico.
Beitrag & Live-Ticker: Thomas Baer, Redaktion ORION
«Ein Druckventil scheint eingefroren zu sein», schrieb Elon Musk kurz nach dem Abbruch des Countdowns am vergangenen Montag. Jetzt war für Donnerstagnachmittag ein weiterer Startversuch geplant. Ob der 70 Meter lange Booster «Super Heavy» mit dem «Starship» an seiner Spitze wirklich abheben kann, schien diesmal eher vom Wetter in Texas abhängig zu sein. Nachdem der Countdown heruntergezählt worden war, ging es eine Weile, bis der eigentliche Startcountdown erfolgte.
Der Start und Flug der grössten je gebauten Rakete wurde mit Spannung erwartet, denn selbst Musk befürchtete im Vorfeld, dass das Riesending mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % abstürzen könnte. Und genau dies ist nun geschehen! Doch SpaceX kalkuliert solche «Fehler» mit ins Programm ein. Nur so können Mängel behoben und die Rakete sicherer gemacht werden. Pannen gehören zur Entwicklung einer solchen Rakete dazu.
Gestartet wurde von der SpaceX-Basis in Boca Chica, Texas, aus (Boca Chica Beach). Das Gelände befindet sich nahe der mexikanischen Grenze, nordöstlich der Stadt Matamoros.
Zum Aufbau der Rakete
Starship nennt sich das Grossraketenprojekt des Raumfahrtunternehmens SpaceX. Es ist eine zweistufige Rakete, bestehend aus dem Booster Super Heavy und einer ebenfalls Starship genannten oberen Stufe, die zugleich als Raumschiff dient. Der erste Testflug erfolgt natürlich unbemannt. Beide Stufen werden durch Triebwerke des Typs Raptor angetrieben.
Die Ausmasse der Rakete sind wirklich atemberaubend. Ihre Höhe übertrifft mit 118 m die einstige Mondrakete Saturn V um 8 m! Ihr Durchmesser beträgt 9 m, ihre Startmasse ca. 5’000 t, wovon insgesamt 4’600 t auf Kosten der Treibstoffmasse (1. und 2. Stufe zusammen) gehen. Zum Vergleich: Die einstige Mondrakete Saturn V war geradezu ein «Leichtgewicht» (zwischen 2’800 und knapp 3’000 t Startgewicht)! Elon Musk mit SpaceX spielen hier in einer ganz neuen Liga.
Bedeutung dieser Riesenrakete
Der Orbitaltest hätte natürlich ein weiterer Meilenstein hinsichtlich des Mondprogramms der NASA bedeutet, denn die «Super Heavy» soll einst Menschen und Material zum Mond und Mars bringen und ist dank ihrer Schubkraft für schwere Lasten ausgelegt. Nach dem ersten erfolgreichen und unbemannten Testflug «Artemis 1», will die amerikanische Weltraumfahrtbehörde frühestens 2024 die ersten beiden Module der Lunar Orbital Platform-Gateway mit einer Rakete des Typs Falcon Heavy (SpaceX) in einen Mondorbit bringen. Anschliessend soll die Mondfähre mit mehreren Starship-Flügen (ebenfalls SpaceX) in eine Mondumlaufbahn transportiert werden. Wenn alles klappt, will die NASA mit «Artemis 3» erstmals seit 1972 wieder Astronauten zum Mond bringen. Wie so oft, sieht die Terminplanung recht sportlich aus! Pannen, wie die heutige, sorgen verständlicherweise zu weiteren Verzögerungen.
Die NASA, so ehrlich und realistisch müssen wir dies betrachten, sollte Elon Musk und SpaceX dankbar sein, denn die amerikanische Weltraumbehörde wäre zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht in der Lage, selbst mit einer eigens entwickelten Rakete Menschen zum Mond zu bringen. Seit 2011, als das Space Shuttle-Programm zu Ende ging, hat die NASA keine eigenen verfügbaren Raketen mehr, um Menschen zur Internationalen Raumstation ISS zu befördern. So betrachtet, ist die NASA auf die Hilfe und Unterstützung von Musk angewiesen, zumal dieser mit der Idee von wiederverwendbaren Raketen (Falcon 9) die Kosten von Raketenstarts auf einen Bruchteil senken konnte! Selbst die europäische Ariane 5, die erst letzte Woche ihre finalen Start hatte, ist nicht mehr konkurrenzfähig.
Selbstverständlich sind solche Tests, wie sie SpaceX durchführt, wesentlich aufwändiger, da man es mit ganz neuen Technologien zu tun hat, die erst erprobt werden müssen. Während in den Medien bald einmal von einem Fehlversuch gesprochen wird, muss man auch hier realistisch bleiben. Wenn von vier Raketenstarts zwei schiefgehen, ist dies als Erfolg zu werten. Und genau so wird auch Musk das Programm «Starship» weiterbringen und solche Tests realistisch kalkulieren. Negativschlagzeilen kann und sollte es erst geben, wenn von sechs solcher Tests fünf misslingen. Davon sind wir jedoch ein ganzes Stück entfernt.
In ein paar Monaten, so Musk, will man bereits einen nächsten Test vornehmen. Davor muss der Fehler des Fehlstarts gefunden werden. Das kann sicher einige Wochen in Anspruch nehmen. Es ist somit wahrscheinlich, dass wir noch in diesem Jahr einen zweiten Testflug erleben werden.
Imposanter Grössenvergleich: Das Starship wirkt neben der Saturn V-Rakete gigantisch! (Quelle Wikipedia / bearbeitet: Thomas Baer, Redaktion ORION)
Live-Ticker (20. April 2022, ab 14:30 Uhr MESZ)
14:30.0 | Das Wetter klart auf. Die Küstenwache fliegt der Küste entlang, denn das Gebiet um die Starbase ist für jeglichen Schiff- und Flugverkehr gesperrt. Im Moment läuft der Countdown. Es scheint bislang alles zu klappen. Aber so sah es schon am Montag aus! |
14:37.0 | Das Startprozedere wird bekanntgegeben. |
14:43.0 | In 45 Minuten öffnet das Starfenster! Noch ist es etwas neblig. Aber das Wetter sollte nach Einschätzung der Experten kein Problem darstellen. |
14:55.0 | Viele Schaulustigen bevölkern den Strand südlich von Port Isabel, in sicherer Entfernung zur Startrampe. Das Interesse scheint riesig zu sein. |
15:07.0 | Wie SpaceX auf Twitter schreibt, ist die Betankung im Gang. In 20 Minuten soll der Test losgehen. «Bei einem Test wie diesem wird der Erfolg daran gemessen, wie viel wir lernen können, was die Erfolgswahrscheinlichkeit in der Zukunft erhöhen wird, wenn SpaceX die Entwicklung des Raumschiffs schnell vorantreibt», schreibt das Unternehmen kurz vor dem Start auf Twitter. Noch immer wird etwas über das Wetter spekuliert. Man sieht zwar blauen Himmel, aber noch immer ziehen Nebelschwaden umher. |
15:10.0 | Soeben kommt die Bestätigung, dass man bereit sei für den Start! |
15:15.0 | Noch 13 Minuten bis zur Öffnung des Startfensters! Die Triebwerke werden nun heruntergekühlt. |
15:21.0 | Immer mehr Leute strömen an den Strand! Noch 7 Minuten bis das Startfenster öffnet. |
15:26.0 | Die zwei Stufen sind fertig betankt. Die Spannung steigt auch im Kontrollzentrum! |
15:27.0 | Noch anderthalb Minuten! |
15:28.0 | Das Startfenster ist offen! Der Countdown ist abgezählt. Die Rakete steht noch. SpaceX hat den Countdown angehalten, um letzte Kontrollen durchzuführen. Diese seien normal, heisst es. |
15:34.0 | Der Start ist erfolgt! Noch scheint alles zu klappen! Eine gefühlte Ewigkeit will der Koloss gar nicht abheben; man kann die Trägheit des Ungetüms förmlich sehen. Doch dann steigt die «Super Heavy» vorerst gemächlich, dann immer schneller in den blauen Himmel. |
15:35.3 | Kurze Zeit später zeigt der SpaceX-Livestream die Raketentriebwerke von unten. Man erkennt deutlich, dass nicht alle Triebwerke zünden oder gezündet haben! |
15:37.4 | Das Abtrennen des «Starships» hat nicht geklappt. Die Rakete gerät nach anfänglich stabilem Flug ins Trudeln! Ein schlechtes Zeichen. Man sieht, wie die seitlichen Steuerdüsen das Schlingern auffangen wollen. |
15:38.0 | Und dann passiert das, was im Vorfeld schon fast vermutet wurde! Die Rakete wird aus Sicherheitsgründen gesprengt und explodiert in einem gewaltigen Feuerball über dem Golf von Mexico! Trotz der Panne, darf man den Test als Erfolg werten, denn zu mehr als drei Vierteln hat alles funktioniert. Jetzt gilt es, das fehlende letzte Viertel noch zu korrigieren. Das SpaceX-Team wird nun mit der Auswertung der Daten eine Weile beschäftigt sein. |