Beitrag: Thomas Baer, Redaktion ORION
Die Sonnenfleckengruppe AR3664 produziert aktuell einen koronalen Massenauswurf nach dem anderen! Schon von heute Freitagabend, 10., auf Samstag, 11. Mai 2024 lohnt es sich, an den Nordhimmel zu schauen. Schon ab der ersten Nachthälfte erwarten die Astronomen die Ankunft der überlagerten Plasmawolken. Erwartet wird laut NOAA ein geomagnetischer Sturm der Klasse G4 (schwer). Möglich aber auch, dass er im Laufe der Nacht noch auf die höchste Kategorie G5 (extrem) hochgestuft wird. Eine offizielle Pressemitteilung warnt Infrastruktur-, Stromnetz- und Satellitenbetreiber; es werden Schutzmassnahmen eingeleitet! Polarlichter bis in südliche geografische Breiten sind sehr wahrscheinlich. Auch das Wetter sollte mitspielen.
Unten rechts sehen wir einen der drei radialen koronalen Massenauswürfen am 8. Mai 2024. (Bild: SOHO)
Am 8. Mai 2024 ereigneten sich über einem aktiven Gebiet auf der Sonne kurz nacheinander X-Flares. Derzeit sind drei gewaltige Plasmawolken unterwegs zur Erde, die sich voraussichtlich genau auf Erdhöhe überschneiden werden! Damit besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit für Polarlichter, unter Umständen auch bis in mittlere geografische Breiten (bis Süddeutschland, Schweiz, Österreich). Gemäss NASA- und NOAA-Prognosen wird es ein starkes Ereignis werden. Es ist also durchaus denkbar, dass wir einen der stärksten Sonnenstürme des Aktivitätszyklus’ Nr. 25 erwarten dürfen.
Der Impact auf der Erde könnte dieses Mal günstiger sein; es wird erwartet, dass die Plasmawolken in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai eintreffen! Los geht es schon heute Freitagabend. Die Überlagerungen der drei Plasmawolken werden die Dichtestärke bestimmen. Einem starken geomagnetischen Sturm im Bereich G4 (schwer) (Stand: 9. Mai 2024, 20:30 Uhr MESZ) steht derzeit nichts mehr im Wege. Im Laufe des Donnerstags wurde der Sturm von G3 (stark) auf G4 (schwer) hochgestuft. Nach den aktuell neuesten Informationen (Stand: 10. Mai 2024, 19:00 Uhr MESZ) ist ein G4-Sturm bestätigt, zu 75 % sogar höher; es kann auch noch auf G5 hochgestuft werden, was Polarlichter bis auf die Höhe Mittelitalien bedeuten würde. Auch das Wetter sollte gut mitspielen. Es ist aber anzumerken, dass wir es hier mit einer Prognose zu tun haben. Zeitlich kann sich der Impact auch nach vorn oder hinten verschieben.
Hier sehen wir die drei sich überlagernden Plasmawolken (rot), die in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 2024 die Erde (grüner Punkt) voll treffen werden. (Quelle: Space Weather Prediction Center)
Erst vor wenigen Tagen konnte die Webcam auf dem Säntis trotz teils bewölktem Himmel Polarlichter aufnehmen. Und in den nächsten Tagen dürfte es betreffend dieser Erscheinung nochmals äusserst interessant werden, da der vorausberechnete Zeitpunkt diesmal passt und auch das Wetter mitzuspielen scheint. Der Zeitpunkt des Eintreffens muss noch abgewartet werden. Dieser hängt von der Geschwindigkeit der Plasmawolken ab. Die zweite scheint schneller zu sein und es ist durchaus denkbar, dass es zu einer Überlagerung kommt. Es lohnt sich also in den kommenden drei Nächten wachsam zu sein. Vielleicht haben wir diesmal Glück, dass das Plasma zu unseren Nachtstunden eintrifft!
Noch zwei heftige X-Flares am 9. Mai 2024
Am Abend des 9. Mai 2024 gab es im Sonnenfleck AR3664 gleich nochmals zwei heftige X2.2-Flares, abermals erdgerichtet! Auch diese Plasmawolken sind nun zu uns unterwegs, werden aber die drei vorangegangen Plasmawolken nicht einholen können. Es handelte sich um lange Ausbrüche, und es scheint, als dass sich die Materiewolken etwas langsamer bewegen. Der Impact der «Nachzügler» dürfte demnach am 12. oder 13. Mai 2024 erfolgen.
Ein Sonnenfleck der Carrington-Klasse
Die gigantische Sonnenfleckengruppe AR3664, welche derzeit heftige Ausbrüche produziert im Vergleich zum Carrington-Sonnenfleck. (Bild: NASA)
Der Sonnenfleck AR3664 ist so gross geworden, dass er jetzt mit dem grossen Carrington-Sonnenfleck von 1859 konkurriert. Um ihre Ähnlichkeit zu veranschaulichen, haben wir Carringtons berühmte Skizze (massstabsgetreu) zu einem NASA-Foto der heutigen Sonne hinzugefügt: Fast 200’000 km gross AR3664 ist von Ende zu Ende 15-mal breiter als die Erde. Sie können es durch eine gewöhnliche Sonnenfinsternisbrille ohne jegliche Vergrösserung sehen. Darüber hinaus ist es einfach, ein Bild dieses Sonnenflecks auf den Bürgersteig oder eine weisse Leinwand zu projizieren, so wie es Carrington im 19. Jahrhundert tat. Stechen Sie mit einer Nadel ein kleines Loch in ein festeres Papier. Das durch das Loch fallende Sonnenlicht können Sie dann auf ein anderes weisses Papier projizieren.
AR3664 im Kontinuum, hochauflösend aus einem 150-mm-Solaroskop (Bild: Martin Wise)
Carringtons Sonnenfleck ist berühmt, weil er im August und September 1859 eine Reihe intensiver Sonneneruptionen und koronale Massenauswürfe (CMEs) aussendete. Die daraus resultierenden geomagnetischen Stürme setzten Telegraphenbüros in Brand und lösten Polarlichter von Kuba bis Hawaii aus. Das «Carrington-Ereignis» ist seitdem zu einem Prüfstein für das Weltraumwetter in der Popkultur geworden, wobei die jüngsten Schlagzeilen Ängste vor einer «Internet-Apokalypse» schüren, wenn sie sich wiederholt.
Tatsächlich könnte es sich wiederholen. Studien deuten darauf hin, dass Stürme der Carrington-Klasse alle 40 bis 60 Jahre auftreten, also sind wir überfällig. CMEs, die derzeit auf dem Weg zur Erde sind, werden kein neues Carrington-Ereignis auslösen; Sie sind im Vergleich zu den CMEs von 1859 mickrig. Dennoch wäre es klug, diese wachsende aktive Region im Auge zu behalten, während sich die Erde in ihrer Einschlagszone befindet.
Update folgt…
Der zweite Ausbruch am 8. Mai 2024 über einem extrem aktiven Gebiet. (Quelle: NASA)